Der tausendfältige Gedanke
Cinganjehoi und dessen Granden – obwohl zehnfach unterlegen – in offener Schlacht entgegen. Trotz des grimmigen Kampfesmuts der Inrithi war die Lage hoffnungslos. Als das Banner des Hauses Gaenri im Getümmel verschwand, rief Athjeäri seinen Männern etwas zu, galoppierte los, kämpfte sich ins Zentrum der Heiden vor und verschreckte sie mit Rufen und wuchtigen Streichen. Plötzlich aber strauchelte sein Schlachtross aus Mongilea, und ein junger Lanzenreiter – Sohn eines Granden aus Seleukara – traf ihn mitten ins Gesicht.
Die Fanim brachen in Triumphgeheul aus. Brüllend vor Entrüstung und Schrecken stürmten die Männer des Grafen auf die heidnischen Reiter los, die verzweifelt versuchten, sich mit der Leiche aus dem Staub zu machen. Unter furchtbaren Opfern sicherten sich die Galeoth den übel zugerichteten Toten.
Die überlebenden Lehnsmänner und Ritter aus Gaenri flohen mit Athjeäris Leichnam nach Westen und waren völlig gebrochen. Binnen Stunden stießen sie auf eine große Schar Kishyati unter Lord Soter, der ihre Verfolger auseinandertrieb. Die Gaenri weinten darüber, dass die Rettung so nah gewesen und doch zu spät gekommen war. Man nannte sie bald die Zwanzig, denn von Hunderten hatten nur so wenige überlebt.
Im Rat der Hohen und Niederen Herren war Athjeäris Tod Anlass zu feierlichem Erinnern, löste aber auch großen Schrecken aus. Seit langem war der junge Graf das Auge des Heiligen Kriegs gewesen, die am weitesten reichende und treffsicherste seiner vielen Lanzen. Sein Ende war ein unheilvolles Omen. Weil Cumor, der Hohepriester Gilgaöls, tot war, leitete der Kriegerprophet selbst die Feier, erklärte Athjeäri zum Schlacht-Zelebranten und trug die Gilgallischen Riten vor, ohne sie zuvor geprobt zu haben.
»Inri Sejenus kam nach der Apokalypse«, sagte er den trauernden Adligen, »als die Wunden der Welt nach Heilung verlangten. Ich bin vor der Apokalypse gekommen, zu einem Zeitpunkt, da die Menschheit kriegerische Stärke braucht. Von allen Hundert Göttern lodert der weithin treffende Gilgaöl am hellsten in mir – aber nicht so hell wie in Coithus Athjeäri, dem Sohn von Asilda, der Tochter von Eryeat, dem König der Galeoth.«
Hinterher wuschen die Priester den Leichnam und kleideten ihn in Gewänder seiner erst kürzlich angekommenen Landsleute, damit er nicht die Schmach ertragen musste, im Khalat seiner Feinde verbrannt zu werden. Er wurde auf einen großen Scheiterhaufen aus Zedernholz gelegt und angezündet – ein einsames Leuchtfeuer unter dem Firmament.
Die Klagelieder der Galeoth drangen lange in die Nacht.
Als der Heilige Krieg den letzten Teil des Hochlands von Jarta durchquerte, war die Stimmung der Männer düster, und ihre Gedanken waren besorgt. Gothyelk stieß nur wenige Meilen vor Besral zu ihnen, und wenn Athjeäris Tod die Leute aus Ce Tydonn auch bestürzte, so war doch der Rest des Heiligen Kriegs ermutigt. Hier, wo der Letzte Prophet geboren worden war, hatten sich die Männer des Stoßzahns wiedervereinigt. Jetzt lag nur noch eine Aufgabe vor ihnen.
An dem Tag, als sie aus dem Hochland abstiegen, stießen sie am Rand der Shairizor-Ebene auf eine verlassene Villa der Nansur. Dort ließ der Kriegerprophet halten, obwohl es längst noch nicht Abend war. Die Herren des Heiligen Kriegs waren so darauf erpicht, Shimeh endlich zu sehen, dass sie ihn anflehten, weiterzumarschieren.
Er aber schlug ihnen diese Bitte ab und richtete sich hinter den befestigten Mauern ein.
Esmenet bat ihn, sich nicht zu bewegen.
Sie stützte die Hände auf seine harte Brust, sah ihm tief in die Augen und ließ sich langsam auf seinem Becken nieder, wobei er noch tiefer in sie eindrang. Ein Schauer durchfuhr ihn, und einen Moment lang fühlte sie sich glückselig mit ihm eins.
»Danke«, keuchte sie ihm hinterher ins Ohr, »danke.« Es kam ihr vor, als dränge sie nur noch selten wirklich zu ihm durch.
Er saß auf der Bettkante, und obwohl er schnaufte, wusste sie, dass er nicht außer Atem war. Er war nie außer Atem. Er stand auf, und sie sah ihm zu, wie er nackt über den glänzenden Fußboden zu dem prächtigen Waschbecken schritt, das ins Sims der gegenüberliegenden Wand eingelassen war. Im Halb dunkel tauchten die Dreifüße ihn in orangefarbene und purpurrote Töne. Als er sich wusch, fiel sein riesiger Schatten auf die freskierten Wände. Sie lag da und bewunderte genießerisch seine herrliche Gestalt.
Plötzlich gierte sie nach dem bisschen Wärme, das die
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