Der tausendfältige Gedanke
auf die Ruinenlandschaft, die Gefallenen in ihren Rüstungen strahlten perlmuttfarben, und die Wolken, die sich noch immer schwarz und grau am Himmel türmten, glänzten. Da entdeckte Proyas, warum Kellhus Trümmer um sich kreisen ließ: Heidnische Bogenschützen suchten in den Ruinen nach Chorae. Der Kriegerprophet stieß Zauberformeln aus, die Steine und Ziegel in Geschosse verwandelten. Dennoch wurden Pfeile auf ihn abgefeuert. Einige verfehlten ihn, doch andere prallten von den Trümmern ab und rissen dabei manchen Stein, der prompt krachend in der Stadt niederging, aus seiner Umlaufbahn.
Immer mehr Explosionen erschütterten den Boden. Leichen flogen durch die Luft, und Fundamente barsten mit solchem Krachen, dass sogar das unnachgiebige Trommeln verstummte.
Die fünf Cishaurim schwebten mit im Sonnenlicht blitzenden, safrangelben Roben über den Tumult auf Kellhus zu. Blendende Energieströme umfluteten seinen kreisförmigen Abwehrzauber wie ein Wasserfall und waren so hell, dass Proyas die Augen mit der Hand abschirmen musste. Dennoch zuckten vollkommene Blitze aus dem Mahlstrom, der Kellhus umgab, und legten sich in stechenden Geometrien um den nächsten Cishaurim. Der Blinde fuhr mit ausufernden Handbewegungen durch die Luft und regnete dann in blutigen Fetzen zu Boden.
Doch Kellhus’ magische Wände bekamen Risse und zersprangen unter dem Ansturm der von den Cishaurim geschleuderten Blitze. Keine gnostischen Linien griffen die schwebenden Cishaurim mehr an. Und Proyas erkannte, dass Kellhus nicht gewinnen, sondern nur Abwehrformeln herausschreien konnte, um nicht weggerissen zu werden.
Dann war es vorbei. Die Cishaurim ließen von ihm ab, und der Lärm ihres Angriffs verhallte wie ferner Donner. Proyas sah nichts außer Rauch, Zerstörung und Sonnenlicht.
Er merkte, dass er nach Atem rang – oder war das ein stummer Schrei?
Gnädiger Gott … Gnädiger Gott aller Götter!
Hinter einem, der Angreifer blitzte es, und plötzlich war Kellhus bei ihm und hatte ihm die Hand um die Kehle gelegt. Sein Schwert Enshoiya ragte strahlend aus der Brust des Cishaurim. Proyas stand mühsam auf und wäre fast vom Giebel gestürzt. Doch er fing sich, lachte unter Tränen und stieß einen Schrei aus.
Dann war Kellhus verschwunden, und der tote Cishaurim stürzte zu Boden. Die drei übrigen Hexenpriester schwebten reglos und verblüfft in der Luft. Hätten sie Augen gehabt, dann hätten sie geblinzelt.
Nun befand sich der Kriegerprophet hinter einem anderen Cishaurim, enthauptete ihn und hieb binnen eines Herzschlags auch seine Schlangen entzwei. Proyas sah Kellhus zucken, als die Leiche in die Tiefe stürzte, und begriff, dass er ein von unten auf ihn abgefeuertes Chorum mit bloßer Hand gefangen hatte. Blitzschnell schleuderte der Kriegerprophet es wie ein Messer nach dem nächsten Hexenpriester. Es gab eine schwarz nachleuchtende Explosion, und der Cishaurim stürzte in den Abgrund.
Proyas schrie auf. Nie hatte er sich so erneuert, so jung gefühlt!
Und Anasûrimbor Kellhus sang wiederum die Abstraktionen. Weiße Gewänder bauschten sich im Licht. Gleißende Parabeln umgaben ihn, und die Trümmer ringsum vibrierten. Der überlebende Cishaurim trieb in einem weiten Kreis vorsichtig um ihn herum und wusste, dass er sich bewegen musste, um dem Schicksal seiner Brüder zu entgehen. Doch es war schon viel zu spät…
Dem heiligen Licht des Kriegerpropheten ließ sich nicht entkommen.
Die Sonne sank rot im eisengrauen Westen. Die Wolken zerstoben im Südwind und trieben in violetten Streifen übers Meneanor-Meer, während Düsternis aus der zerstörten Stadt aufstieg.
Im sterbenden Licht war ein Klirren zu hören. Zwischen den Ruinen beugte sich ein kleiner Junge über eine zerschmetterte weiße Gestalt und raspelte mit einem Stein Salz in seine Hand. Obwohl die Schlacht vorbei war, blickte er sich immer wieder ängstlich um. Als er seinen Beutel gefüllt hatte, wandte er sich dem Gesicht des toten Hexenmeisters zu und betrachtete es mit einer unheimlichen Leere, die ein Erwachsener für Trauer hätte halten können, in der seine Mutter aber, hätte sie noch gelebt, Hoffnung erkannt hätte.
Er stand auf, beugte sich vor, um eine kleine Wunde am Knie zu untersuchen, wischte das Blut mit dem Daumen weg und sah zu, wie ein neuer Tropfen an seine Stelle trat. Dann erschreckte ihn ein Geräusch. Er fuhr herum und entdeckte den seltsamen Vogel mit dem Menschenkopf. Das Wesen betrachtete ihn.
»Willst du ein
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