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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Cnaiür sprang auf und stieß den Schlachtruf seiner Väter aus. Von hinten stürzten sie sich auf die überrumpelten Infanteristen. Er traf den ersten Mann am Kiefer und den zweiten in die Achselhöhle. Binnen Sekunden starben Hunderte. Plötzlich standen die Leute aus Conriya, die von der einen Straßenseite losgeschlagen hatten, den Thunyeri gegenüber, die von der anderen Straßenseite attackiert hatten.
    Hier und da ertönte Jubel, den Cnaiür mit einer Stimme erstickte, die nach Wahnsinn klang. »Runter von der Straße! Runter!«
    Das furchtbare Brummen hatte wieder begonnen.
    Die Schlacht, die nun folgte, war anders als alle, die Cnaiür jemals erlebt hatte. Vielfarbig leuchtendes Hexenlicht zuckte durch die pechschwarze Nacht. Wer eben noch einen Überraschten getötet hatte, wurde jetzt ebenso unerwartet niedergemetzelt. Man jagte als Verfolgter oder als Verfolger durch das labyrinthische Elendsviertel oder kämpfte auf offener Straße, dass die Waffen klirrten. In der Dunkelheit hing Cnaiürs Leben mehr als einmal am seidenen Faden, und immer retteten ihn allein seine Stärke und seine Wut. Im Licht des Mondes und der brennenden Gebäude schraken die Nansur vor ihm zurück und griffen ihn nur mit dem Heft ihrer Speere an.
    Conphas wollte ihn offenbar lebend.
    Cnaiür hatte nicht Platz genug auf den Armen für all die Swazond, die er sich in dieser Nacht verdiente.
    Skaiwarra und ein Trupp seiner wildhaarigen Axtleute hatten schrecklich in einer Infanteriekompanie gewütet und sich dann umgedreht, um einen Angriff der Kidruhil abzuwehren – das war das Letzte, was Cnaiür von ihm sah. Sanumnis aber starb in seinen Armen und hustete dabei Blut und Speichel. Troyatti und viele weitere Hemscilvara fielen in einem magischen Naphtharegen, der Cnaiür unversehrt ließ. Er sollte nie erfahren, was Tirnemus oder Saurnemmi zugestoßen war.
    Schließlich mussten er und einige Unbekannte – drei Leute aus Conriya, die mit ihren Kriegsmasken unheimlichen Automaten ähnelten, und sechs Thunyeri (einem schaukelten Schrumpfköpfe der Sranc an den flachsfarbenen Zöpfen) – vor den brennenden Trümmern einer Mühle auf eine breite Treppe unterhalb eines zerstörten Gotteshauses der Fanim fliehen. Sie erwehrten sich des Ansturms der Nansur, bis nur noch Cnaiür und der namenlose Schrumpfkopfträger mit wogender Brust Schulter an Schulter kämpften. Auf den Stufen unter ihnen bildeten die Toten eine Schleppe aus verschlungenen Gliedern. Die Sterbenden warfen sich hin und her und traten um sich wie Betrunkene. Die ganze Welt schien in Blut getränkt zu sein. Offiziere brüllten den dunklen Formationen, die am Fuß der Treppe angetreten waren, Befehle zu. Vor der Kulisse der brennenden Mühle attackierten die Nansur erneut. Der Norsirai hieb lachend und brüllend auf die Angreifer ein und fällte sie mit großen Schwüngen seiner Streitaxt. Dann aber traf ihn ein Speer im Genick, und er stolperte in die Schwerter vor ihm.
    Cnaiür stimmte ein triumphierendes Geheul an. Die Nansur gingen mit den Enden ihrer Speere auf ihn los, die Gesichter vor Angst und Entschlossenheit verzerrt. Cnaiür sprang in ihre Mitte und hieb mit seinen vernarbten Armen auf sie ein. »Dämon!«, brüllte er. »Dämon!«
    Finger griffen nach seinen Armen, und er zertrümmerte Handgelenke, verletzte Gesichter. Silhouetten bedrängten ihn, doch er zerschmetterte ihnen Genick oder Rückgrat. Er ließ Blutfontänen steigen und trieb seine Klinge ins Herz seiner Feinde. Die Welt war zu verrottetem Leder geworden, und er allein war Eisen. Er allein.
    Er war ein Scylvendi.
    Plötzlich ließ der Ansturm nach. Die vorderen Nansur drängten gegen die Schilde derer, die hinter ihnen standen. Die Welt schien in Flammen zu stehen.
    »Seit tausend Jahren schon«, krächzte Cnaiür, »missbrauche ich eure Frauen, erdrossele ich eure Kinder, erschlage ich eure Väter!« Er schwang sein zerbrochenes Schwert. Blut rann ihm vom Ellbogen. »Seit tausend Jahren verfolge ich euch!«
    Er warf das Schwert beiseite, griff sich einen Speer und schleuderte ihn auf den Mann vor sich. Die Waffe zertrümmerte Schild und Brustharnisch des Soldaten und durchbohrte ihn.
    Cnaiür lachte. Die prasselnden Flammen schienen seine Stimme zu verstärken und ihr ein magisches Grauen zu verleihen.
    Schreie und Rufe ertönten. Einige ließen sogar die Waffen fallen.
    »Packt ihn!«, befahl eine Stimme. »Schließlich seid ihr Nansur!«
    Es war eine vertraute Stimme.
    Cnaiür senkte lächelnd

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