Der Tempel der vier Winde - 8
sollte das für einen Sinn haben? Ich bin verheiratet. Wir haben uns nichts zu sagen … nicht nachdem … nicht hier, so wie jetzt, alleine.«
Er wich ihrem Blick aus, als er den kühlen Unterton in ihrer Stimme vernahm.
Sie hatte gehofft, ihn damit zu zwingen, es auszusprechen.
Gütige Seelen, laßt ihn sagen, daß er mir verzeiht.
Statt dessen meinte er: »Ich habe Cara und Berdine gebeten, dich hierherzubringen, damit ich mit dir sprechen kann. Ich bin zurückgekommen, weil ich mit dir reden muß. Wirst du mir wenigstens das zugestehen?«
Kahlan wußte nicht, wohin mit ihren Händen.
»Natürlich, Richard.«
Er bedankte sich mit einem Nicken. Er schien Schmerzen zu haben. Er wirkte gequält. Seine Augen hatten den stumpfen Glanz eines Menschen, der leidet.
Nichts wünschte sie sich so sehr, als daß er sie um Verzeihung bäte. Das allein hätte ihr gebrochenes Herz wieder gesund gemacht. Das waren die einzigen Worte, die für sie eine Bedeutung gehabt hätten. Sie wollte, daß er es aussprach, doch er stand einfach da und hielt den Blick auf den kalten Stein der Mauer gerichtet.
Sie entschied, daß er es nur dann aussprechen, ihr nur dann verzeihen würde, wenn sie ihn dazu zwang.
»Du bist also gekommen, um mir zu verzeihen, Richard?«
Er sprach leise, aber mit großer Entschlossenheit.
»Nein, ich bin nicht hier, um dir zu verzeihen. Ich kann dir nicht verzeihen, Kahlan.«
Sie wandte sich ab. Endlich hatte sie einen Platz für ihre Hände gefunden. Sie preßte die geballten Fäuste gegen ihren Bauch.
»Verstehe.«
»Kahlan«, meinte er in ihrem Rücken, »ich kann dir nicht verzeihen, weil es verkehrt von mir wäre, herzukommen, um dir zu verzeihen.
Würdest du wollen, daß ich dir deine Menschlichkeit verzeihe? Soll ich dir verzeihen, daß du deinen Durst löschst? Das Essen verzeihen, wenn du hungrig bist? Dir das Gefühl der wärmenden Sonne auf deinem Gesicht verzeihen?«
Kahlan wischte sich über die Wangen und drehte sich zu ihm um. »Was redest du da?«
In seinem Gürtel steckte der Stiel einer Rose. »Die hat mir deine Mutter mitgegeben.«
»Meine Mutter?«
Richard nickte. »Sie fragte, ob ich Freude daran hätte, und als ich das bejahte, fragte sie mich, ob ich zu dir zurückkehren würde. Es hat lange gedauert, bis ich begriff, was sie meinte.«
»Und was?«
»Daß wir über die Fähigkeit verfügen, uns an solchen Dingen zu erfreuen. Ist es schlimm, wenn du dich am Anblick einer Rose erfreust, an ihrem Duft, auch wenn ich nicht derjenige war, der sie dir geschenkt hat? Muß ich dir das verzeihen?«
»Hier geht es um etwas völlig anderes als um die Freude am Duft einer Rose.«
Er ließ sich auf ein Knie fallen. Er preßte die geschlossene Faust auf seinen Unterleib. »Kahlan, ich war einmal einer Frau über mein Fleisch und Blut verbunden, so wie du deiner Mutter verbunden warst. Das ist die einzige fleischliche Verbindung, die wir in diesem Leben kennenlernen.«
Er legte die Faust auf seine Brust. »Danach verbinden wir uns ausschließlich hierüber. Nur im Herzen können wir miteinander verbunden sein. Dein Herz hast du ihm nicht geschenkt. Das gehörte mir und mir allein.
Die Winde, die Seelen, haben ihren Preis von dir gefordert. Sie haben dir nicht viel gelassen, und du hast dich entschlossen, das, was blieb, zu nehmen und weiterzuleben. Du hast eine menschliche Wahl getroffen. Es war ein Kampf ums Überleben. Du hast dich einfach an etwas erfreut, das dir zustand.
Du gehörst mir nicht. Du bist nicht meine Sklavin. Ich habe dir nichts zu verzeihen. In deinem Herzen hast du mich nicht betrogen. Es käme einer Anmaßung widerwärtigster Art gleich, wenn ich dir meine Vergebung anbieten würde, obwohl du mich in deinem Herzen nicht verraten hast.« Beim Luftholen spürte Kahlan, wie sie zitterte.
»Du hast mich verletzt, Richard. Ich hatte geglaubt, mein Herz sei bei dir in sicheren Händen, für immer, ganz gleich, was auch geschieht – und du hast mich einfach stehenlassen. Du hattest es mir versprochen. Ich durfte es dir nicht einmal erklären.«
»Ich weiß«, sagte er leise.
Sein anderes Knie berührte den Boden, als er sich zu ihren Füßen verneigte. Er senkte das Haupt.
»Aus diesem Grund bin ich zurückgekehrt. Ich bin gekommen, um dich um Verzeihung zu bitten. Ich bin es, der versagt hat. Ich bin es, der den wahren Schmerz verursacht hat, der unsere Herzen verraten hat, nicht du. Das ist die schlimmste Sünde, derer ich mich schuldig machen konnte, und ich
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