Der Tempel zu Jerusalem
und Schande. Man wird dir Schwäche vorwerfen. Dein Werk wird
zerbrechen.»
«Einen Tag…
ich brauche einen Tag. Bring mir eine ausführliche Karte des Landes.»
Wo war seine Weisheit? Verbarg
sie sich in einem so tiefen Abgrund, daß man an einem von Engeln gehaltenen
Seil aus Licht, das länger war als die Zeit, tief hinuntersteigen mußte? Oder
mußte man sich in einem Käfig aus Einsichten einschließen und sich in den
unauslotbaren Schlund hinunterlassen, dessen Grund man nach zwölfmal dreißig
Tagen und zwölfmal dreißig Nächten noch nicht erreicht hatte? Gott allein hatte
den ganzen Weg der Weisheit zurückgelegt und wußte, wo sie sich befand.
Sich mit
einer Landkarte von Israel zu beschäftigen war für Salomo eine ungewohnte
Aufgabe. Was er sich da ausgedacht hatte, war nichts als ein eitles Trugbild.
Davids Heer zu verkleinern hieß, das Land in Gefahr zu bringen. Die Einnahme
von Damaskus war ein göttlicher Fingerzeig, der dem König den richtigen Weg
weisen wollte.
Salomo rief
Banajas und Elihap zu sich. Dieser verkleinerte Kriegsrat mußte genügen.
«Damaskus ist
verloren», meinte er. «Es ist nichts weiter als eine wertlose Oase. Dieser
Rückschlag wird schnell vergessen sein, zumal die Gebiete, die wir
kontrollieren, bereits zahlreicher sind als zu Lebzeiten meines Vaters. Der
vermaledeite Phönizier soll mir nicht lange den Schlaf rauben. Dennoch hat er
mir etwas klargemacht: Unsere Verteidigungsanlagen müssen verstärkt werden. Wir
beginnen mit dem Ausbau von Palmyra, danach wird das Heer neu organisiert. Wenn
es stark genug ist, wird es den Feind einschüchtern und muß nicht mehr zu den
Waffen greifen.»
Banajas
verstand nicht, was sein König da sagte. Warum durften die Soldaten nicht
kämpfen? Doch er setzte Vertrauen in Salomos Urteil.
Fettschwanzhammel
von erstaunlichem Umfang zogen an Salomos Tragsessel vorbei, der im Schatten
einer Laube aufgestellt war. Es war Herbst, und die Landschaft um Jerusalem war
gar lieblich anzusehen. Nach der morgendlichen Kühle war die Mittagshitze
willkommen. Am Ende mehrerer Arbeitswochen genoß der König ein paar Mußestunden
fern des Palastes.
«Wir haben
einen großen König», bestätigten die Hebräer immer lauter und immer kräftiger.
Doch Salomo war sich bewußt, daß er nur ein kleines Land regierte, das
angesichts des großen Ägypten gar nicht existierte. Israel… Wald, Ebene und
Wüste, ein Himmel aus Feuer, sonnenverbrannte Felsen, Flüsse, die sich einmal
durch unfruchtbare und ein anderes Mal durch grasbewachsene Ufer zogen. Eine
knappe Wegstunde trennte vertrocknete Einöden von grünen Matten. Ein heiliges
Land, das Gott geschenkt hatte und das von den Dan bei Beerscheba, vom Fuß des
Hermon bis zur Moab-Wüste reichte. Ein Volk, das der König vor sich selbst und
vor Gefahren von außen schützen mußte.
Nachdem er
ein Bewässerungssystem gebaut hatte, das Wasser bis nach Jerusalem brachte,
hatte sich Salomo mit dem Zustand der Verkehrswege beschäftigt. Die große
Straße in die Hauptstadt war mit Basalt gepflastert worden; die anderen
Straßen, die mittlerweile für Handelsleute sicher waren, hatten zur Aufnahme
von Handelsbeziehungen zwischen den Provinzen geführt, und auch Streitwagen
befuhren sie und machten großen Eindruck auf fremdländische Spione.
Nach
Beendigung der inneren Auseinandersetzungen hatte Salomo in aller Stille sein
Heer neu organisiert, hatte seine dreißigtausend Fußsoldaten in Einheiten zu je
fünfzig unterteilt, hunderttausend Mann insgesamt, die von Feldhauptleuten
befehligt wurden. Die Kriege, die David gegen die Philister, die Edomiter und
Ammoniter, die Moabiter und die Phönizier geführt hatte, hatten zur Bildung des
israelitischen Reiches geführt, das sich zwar nicht mit dem ägyptischen messen
konnte, aber dennoch einen gewissen Zusammenhalt hatte. Bei mehreren
Unterhaltungen mit verschiedenen Regimentern hatte Salomo ihnen angekündigt,
daß er keine weitere Gebietserweiterung anstrebe, sondern nur die Verteidigung
des Landes, dieses Heiligtum Jahwes. Und darum beschäftigte sich das
schlagkräftigste Heer, das Israel jemals besessen hatte, mit dem Bau oder der
Ausbesserung von Festungen, deren älteste man geschleift hatte. Statt roher
Ziegelsteine verwendete man jetzt gutbehauene Bruchsteine. Die Arbeit damit war
zuweilen hart, doch sie machten die Anlagen noch uneinnehmbarer. An allen
strategisch wichtigen Punkten des Königreiches wachten seitdem Festungen, und
die Grenzen
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