Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
gerissen. Es gab aber auch einige Leute, die sich die Zeit nahmen, sie in winzige Fetzen zu reißen, nachdem sie vielleicht zum vierten oder fünften Mal damit belästigt worden waren.
Unter dem Papiermüll lagen die Plastikmüllbeutel. Sie stammten aus dem Badezimmer, der Küche und dem Arbeitszimmer. Es war nicht nur ekelhaft, den Inhalt zu durchwühlen, die kleineren Müllbeutel aus dem Badezimmer stellten Shane noch vor ein anderes Problem. Einmal hatte er sich an einer doppelschneidigen Rasierklinge den Finger aufgeschlitzt. Seit diesem Vorfall nahm er stets eine kleine Flasche Desinfektionsschaum mit, wenn er vorhatte, in Müll zu wühlen.
Die kleinen Müllbeutel, in denen er jetzt stöberte, stammten aus der Küche und enthielten zerdrückte Cola-Light-Dosen, Kaffeebecher aus Pappe mit dem Logo von Starbucks sowie Styroporbehälter von Fast-Food-Gerichten. In diesen Behältern lagen nur die Reste von Sandwiches und Salat und ein paar Zigarettenstummel. Auf der Hälfte der Filter klebte Lippenstift.
Mac. Tropische Fische.
Eine Freundin? Eine Affäre? Eine Prostituierte?
Shane schaute auf die Uhr. Er hatte noch Zeit.
Der Rest des Mülls bestand aus einem Haufen zerknitterter Tüten aus einem Schnellrestaurant in der South Street und zwei großen leeren Kartoffelchipstüten. Als Shane die letzte Chipstüte in die Hand nahm, hörte er, dass etwas darin klapperte. In der Tüte steckte irgendein Gegenstand aus Plastik.
Shane schaute nach.
Volltreffer!
Unten in der Tüte lagen vier leere Tablettenröhrchen.
Mit pochendem Herzen nahm Shane die Röhrchen vorsichtig heraus und schüttelte sie, um zu überprüfen, ob sie leer waren. Waren sie.
»Und was haben wir da?«, fragte er leise in die Nacht.
Er hielt das Etikett des ersten Tablettenröhrchens in das Licht seiner Stabtaschenlampe. Es handelte sich um ein Medikament namens Mirtazapin. Shane hatte noch nie davon gehört. Die anderen hießen Diazepam, Benazepril und Zolpidem.
Der Reporter zog sein Smartphone aus der Tasche, wählte sich ins Netz ein und gab die Namen der Medikamente ein. Mirtazapin wurde zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Das Benazepril war ein Blutdrucksenker. Die beiden anderen – Diazepam und Zolpidem – kannte Shane nur zu gut. Es waren die Namen der Arzneistoffe von Valium beziehungsweise Stilnox.
Mal sehen, dachte er. Bluthochdruck, Depressionen, Angst und Schlaflosigkeit.
Dieser Mann war am Ende und schluckte jede Menge billiger Medikamente.
Geizkragen.
Die Leute kapierten einfach nicht, dass das Wühlen in ihrem Müll genauso aufschlussreich sein konnte wie eine Führung durch ihr Haus. Aus Shanes Perspektive sogar noch aufschlussreicher. Im Haus konnte man Dinge in einem Safe oder sonst irgendwo verstecken; man konnte Besucher davon abhalten, bestimmte Zimmer zu betreten, und man konnte Schränke und Truhen abschließen. Wenn man Dinge in einen Mülleimer warf, dachte man selten daran, dass alles zusammen ein interessantes Bild ergab.
Shane war ein echter Profi auf diesem Gebiet. Er konnte den Verlauf der Woche einer Person aus deren Müll rekonstruieren. Das war ihm schon oft gelungen. Montag war ganz unten, dann kam der Dienstag, der Mittwoch; so ging es weiter bis zu dem Tag, an dem der Müll abgeholt worden war.
Zu Hause führte Shane eine Datenbank, in die er alle interessanten Dinge eintrug, die er im Müll in den verschiedenen Vierteln Philadelphias fand. Er war in vielerlei Hinsicht ein Archäologe.
Er schaute wieder auf die Uhr. Es wurde höchste Zeit.
Shane stopfte den ganzen Dreck zurück in den Müllbeutel. Es passte nicht alles hinein. Es passte nie alles hinein. Das war eines der großen Rätsel des Lebens. Vor dem gleichen Problem stand man, wenn man sich einen tragbaren Fernseher oder ein anderes sonderbar geformtes Gerät kaufte. Wenn man es zurückgeben wollte, schaffte man es nie, sämtliche Teile, die Kabel, die Handbücher und Adapter wieder in den Karton zu packen. Shane nahm an, dass genau das in der Absicht der Hersteller lag. Er fragte sich oft, wie viele Leute irgendeinen Mist behielten, weil sie nicht zugeben wollten, dass sie das Zeug nicht mehr in den Karton bekamen.
Das war einer der Gründe, warum Shane immer eine Auswahl an Plastikmüllbeuteln bei sich hatte. Wenn man gezwungen war, einen Teil des Mülls in einen neuen Beutel zu stopfen, war es wichtig, dass Marke, Größe und Farbe denen der anderen Beutel entsprachen, um keinen Verdacht zu erregen. Was machte es schon aus,
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