Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
der Draht nicht spitz genug, um das zu erreichen, was die offensichtliche Absicht des Mörders gewesen war, deshalb war eine Spitze des Drahts messerscharf geschliffen und genau vor Daniel Palumbos Halsschlagader positioniert worden.
Wo der Stacheldraht gekauft worden war, würde sich vermutlich nie in Erfahrung bringen lassen. Wäre aus einem Laden in Philadelphia Stacheldraht gestohlen worden, und hätte jemand diesen Diebstahl bei der Polizei angezeigt, hätten sie einen Anhaltspunkt. Da aber der Stacheldraht, mit dem man Palumbo gefesselt hatte, in der Landwirtschaft benutzt wurde, hätten sie eine Million Hektar Ackerfläche in Pennsylvania überprüfen müssen.
Auf den Wangen des Opfers hatten sie Fesselspuren und Baumwollfasern gefunden, was darauf schließen ließ, dass Danny Palumbo die meiste Zeit geknebelt gewesen war.
In seiner rechten Schulter fand die Rechtsmedizin Spuren von Metall. War die Person mit der Kapuze, die sie auf der Straße gesehen hatten, in der letzten Nacht vor Danny Palumbos Tod zurückgekehrt und hatte die Spitze geschliffen, damit sie schärfer wurde und in Palumbos Halsschlagader eindringen konnte? Hatte man Danny Palumbo den Wirkstoff, der die Muskeln lähmte, zum Schluss nicht mehr gegeben, sodass er den Kopf bewegen konnte und sich selbst die tödliche Wunde zufügte?
Bei diesem Gedanken lief Jessica ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Warum hatte der Mörder Danny zehn Tage lang in den Keller gesperrt? Warum hatte er ihn nicht sofort getötet? Hatte der Zeitraum von zehn Tagen irgendeine Bedeutung?
Es musste so sein.
Jessica hatte bei der Erzdiözese von Philadelphia angerufen und als Antwort ein kurzes Fax erhalten. Die Diözese schrieb, was zu erwarten war: Da das Gebäude seit mehr als siebzig Jahren nicht mehr als katholische Kirche genutzt werde, könne man zu dem dort verübten Verbrechen keine Informationen liefern. Sie verwiesen Jessica und das Police Department an die Behörde für Lizenzen – dort, wo Jessica ihre Recherchen aufgenommen hatte.
Die Kriminaltechniker hatten sämtliche Spuren gesichert und das Absperrband entfernt. Vor der Tür hing nun ein Vorhängeschloss. Kaum jemand, der hier vorbeikam, wäre auf den Gedanken gekommen, dass in diesem Haus ein Mord geschehen war.
*
Die Labors der Kriminaltechnik befanden sich in einem modernen Gebäude Ecke Achte und Poplar Street. Dort wurden neben den DNA-Analysen die meisten Untersuchungen von Beweismitteln vorgenommen. Dazu gehörten Fingerabdrücke, Drogen und Medikamente, Waffen jeder Art und Dokumente.
Sergeant Helmut »Hell« Rohmer war Chef der Dokumentenabteilung. Jessica und Byrne hatten mit Hell schon in zahlreichen Fällen zusammengearbeitet.
Hell war mit seinen über eins neunzig ein wahrer Riese. Den Anblick dieses Mannes mit dem kurz geschorenen weiß-blonden Haar und den großen, empfindsamen Händen vergaß man nicht so schnell. Seitdem er eine Kollegin geheiratet hatte, die junge Kriminaltechnikerin Irina Kohl, hatte er fast zwanzig Pfund zugenommen und war viel ruhiger geworden. Die Ehe schien ihm gut zu bekommen.
Bekannt war Hell Rohmer auch für seine große Auswahl an schwarzen T-Shirts in Größe XXXL. Heute war auf sein T-Shirt aufgedruckt:
S CHWEIGEN IST G OLD .
A BSPERRBAND IST S ILBER .
*
»Ich habe gute und schlechte Nachrichten«, begann Hell. »Ich …« Er verstummte.
»Was ist los?«, fragte Jessica.
»Mir ist gerade aufgefallen, dass ich das noch nie gesagt habe.«
»Was?«
»Ob ihr zuerst die gute oder die schlechte Nachricht hören wollt. Wenn andere mich das fragen, rege ich mich immer tierisch auf.«
»Darf ich es mir aussuchen?«, fragte Jessica.
»Klar.«
»Zuerst die gute Nachricht.«
»Okay«, erwiderte Hell. »Zu dem kleinen Gebetsbuch kann ich Ihnen einiges sagen. Es war voller Blut, deshalb mussten wir verschiedene Verfahren anwenden, um es zu trocknen. Ein paar Seiten konnte ich nicht trennen, ohne sie zu zerreißen, aber ich glaube, für den Anfang ist es nicht schlecht, was wir haben.«
Er heftete ein halbes Dutzend Bilder an die Wand.
»In dem Buch sind bekannte Texte abgedruckt. Es enthält Auszüge aus der King-James-Bibel mit einer Auswahl von Texten aus der Genesis, dem Brief an die Hebräer, dem Evangelium des Matthäus und der Offenbarung des Johannes. Außerdem war mal ein rotes Lesebändchen in dem Buch, aber es wurde herausgerissen.« Er zeigte auf eine Nahaufnahme von der Oberseite des Buches, wo das rote Bändchen einst befestigt
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