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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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weiterzuverhandeln. Wer Geld hatte, konnte die von der Behörde gelieferten Mahlzeiten nicht nur durch direkt und indirekt erstandene Zutaten aus der Kantine ergänzen, bald auch wurden, vor allem durch die Wachsoldaten, Speisen und Getränke jeder Art ins Lager geschmuggelt. Nicht nur der kleine Ort Les Milles nahm einen bedeutenden kommerziellen Aufschwung, für die ganze Umgebung, für die Stadt Aix selber wurde unser Lager, das jetzt zweitausend Menschen beherbergte, zu einem neuen Markt. Der Schleichhandel nahm ständig zu.
    Da kam etwa zweimal in der Woche ein Bauer ins Lager gefahren, um für seine Schweine unsre Abfälle zu holen, die Kartoffelschalen und dergleichen. Der Mann schmuggelte gekochtes Schweinefleisch ins Lager, sorgfältig in Pakete verteilt. Man mußte heimlich kaufen, wenn jeweils der Wachsoldat den Rücken gedreht hatte, man hatte keine Zeit, die Ware zu prüfen, man mußte sie auf guten Glauben hinnehmen. Dabei waren die Preise hoch. Doch der Mann war ehrlich, und was man in seinem blind gekauften, in Zeitungspapier eingewickelten Paket vorfand, entsprach in Quantität und Qualität genau dem geforderten Preis.
    Was ich mehr vermißte, waren Vegetabilien jeder Art. Obst, grünes Gemüse, Salat gab es kaum. Einmal in der Woche zwei getrocknete Feigen oder Pflaumen und zwei Blättchen Salat, sonst nur Hülsenfrüchte. Der Gesundheit zuträglich war diese Kost nicht. Ich litt sehr darunter. Einmal veranlaßte mich meine Gier auf Vegetabilien zu einem merkwürdigen Handelsgeschäft. Jemand hatte ein paar Tomaten aufgetrieben. Ich bot ihm eine Büchse mit Hummer für eine Tomate, und jeder von uns machte ein gutes Geschäft.
    Im übrigen wurde ich von meinen beiden Dienern mit Lebensmitteln reichlich versorgt. Denn inzwischen hatte ich einen zweiten Diener bekommen. Auch er war Österreicher, ein früherer Restaurateur. Er war in den Konzentrationslagern von Buchenwald und von Dachau gewesen, er wußte anschaulich zu berichten, er wies die Narben vor der Mißhandlungen, die er damals erlitten; auch hatte er infolge der Leiden von damals zuweilen Schwächeanfälle und Ohnmachten. Allein er war anspruchsvoll geworden infolge seiner Leiden, die meisten fanden, zu anspruchsvoll, er erzählte unaufhörlich von dem, was er durchgemacht habe, und nach einiger Zeit war, wenn er uns vorjammerte, er sei heute schon das zweite Mal ohnmächtig zusammengestürzt, keiner mehr von dieser Mitteilung ergriffen. Trotz allem aber verdiente er Mitleid, und als er sich mir dringlich als Diener anbot, konnte ich nicht nein sagen. Andernteils wollte ich auf meinen Karl nicht verzichten, so beschäftigte ich sie denn beide. Sie teilten die kleinen Geschäfte meines Alltags unter sich auf.
    Sie konnten einander nicht leiden. Der Restaurateur wunderte sich über die Untüchtigkeit Karls, der so wenig für mich auftreiben könne. Karl seinesteils berichtete mir in Details, wie der andere, wenn er durch seine Mittelsleute Zucker, Mineralwasser und ähnliches für mich einschmuggelte, mich übers Ohr haute, indem er noch weiter aufschlug. Karl begriff nicht, daß ich mich nicht dagegen wehrte, und häufig brachte er mir in Gegenwart des andern irgendwas, das der andere schon für mich besorgt hatte, und wiederholte zwei- oder dreimal, die Ziffer stark betonend, den viel niedrigeren Preis, den er selber dafür bezahlt hatte.
    Zu essen also bekam ich, abgesehen von Obst, Salat und Gemüse, in Mengen. Doch mußte, was ins Lager geschmuggelt wurde, rasch verzehrt werden wegen der Kontrolle und wegen der Ratten.
    Habe ich schon erzählt, daß ein halbes Dutzend Caféhausbesitzer unter uns waren? Sie hatten sich, weiß der Himmel woher, Kaffee und Tee verschafft, und nach dem Mittagessen schenkten sie in verschiedenen Winkeln ihr Getränk aus. Sie schickten Agenten herum, jetzt sei der Kaffee fertig, jetzt der Tee, er werde in Saal zwei oder drei im Lattenwerk an der Südseite ausgeschenkt, aber man müsse schnell machen, weil jeden Augenblick eine Kontrolle kommen könne. Viele standen Schmiere gegen solche Kontrollen. Die einzelnen Caféhausbesitzer machten einander scharf Konkurrenz und tadelten jeder die Qualität des vom andern verschenkten Getränks. Auch gingen sie herum wie in den Caféhäusern, die sie früher betrieben hatten, und begrüßten jeden, der ihnen die Ehre seiner Kundschaft erwiesen hatte, mit einer tiefen Verbeugung: »Guten Tag, Herr Professor, waren Sie befriedigt?« Einer hatte sich sogar eine Zeitung

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