Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
Stimmung, die seine allumfassende Gegenwart in ihm auslöste, und von den unheimlichen Geräuschen, die der Wind verursachte, wenn er sich in den Gletscherspalten fing. Aber er erzählte ihr nichts von Cornelius Piel. Das war eine Sache zwischen ihm und Obermeier, und er wollte Marie nicht unnötig beunruhigen.
Als er fertig war, berichtete ihm Marie von all den Dingen, die sie in München bereits hatte regeln können, und es machte ihn froh und auch ein bisschen stolz, dass sie alles so gut im Griff hatte. Es machte ihn glücklich, einfach ihrer Stimme zu lauschen.
Plötzlich klopfte jemand gegen die Glastür der Telefonkabine. Er blickte auf, und Kathi stand vor der Scheibe. Er wusste nicht, wie lange sie schon dort gestanden hatte. Er sah die Ungeduld auf ihrem Gesicht, und als sie mit dem Zeigefinger auf ihre Armbanduhr deutete, hob er beschwichtigend die Hand. Er erklärte Marie die Situation und erzählte ihr von der schlechten Stromversorgung, die auf wenige Stunden pro Tag beschränkt war. Der Abschied fiel ihm schwer, deshalb machte er es so kurz wie möglich. Dann legte er auf.
Als er aus der Kabine trat, schüttelte Kathi amüsiert den Kopf. „Junge Liebe“, sagte sie. „Beneidenswert. Aber das“, sie deutete auf das Telefon, „wird teuer!“
Erik nickte. „Das war leider noch nicht alles. Ich muss noch ein zweites Gespräch führen.“
„Ein zweites Gespräch? Mit wem?“
Erik lächelte . „Das ist privat.“
Kathi erwiderte sein Lächeln. „Privat, natürlich. Natürlich. Geht es auch nach München, das private Gespräch?“
„Ja. München.“ Erik zog die Tür der Telefonkabine zu, beobachtete, wie Kathi im Nebenraum verschwand und ließ sich zu Schulrat Obermeier durchstellen. Das Telefon läutete viermal, fünfmal, sechsmal. Als Erik gerade wieder auflegen wollte, hob Obermeier ab.
„Obermeier, hier ist Strauss.“
„ Herr Strauss! Wie geht es in der neuen Heimat?“
„Sparen Sie sich den Scheiß. Ich habe einiges über Piel herausgefunden.“
„Dann erzählen Sie mal.“
Und so erzählte ihm Erik in knappen Worten alles, was vorgefallen war. Er erzählte ihm von Piels Pass und den geöffneten Briefen im Keller, von dem goldenen Kreuz an der Halskette, von der Waffe, die er im Gästehaus gefunden hatte.
„Hm.“ Obermeier schwieg für eine Weile. „Das ist ja alles recht interessant, Herr Strauss, aber dass Piel dort oben war, wussten wir bereits. Was ich wissen will, ist: Wo ist er jetzt?“
Erik presste die Lippe aufeinander. Aus dem Augenwinkel registrierte er, dass Kathi hinter dem Schalter stand und unentwegt in seine Richtung starrte. Er wandte sich ab. „Ich werde sehen, was ich rausfinden kann.“
„Natürlich werden Sie das. Schließlich wollen sie bald wieder nach Hause, nicht wahr?“
Erik schluckte den Zorn hinunter, der plötzlich in ihm aufwallte. „Wir hören uns.“ Er knallte den Hörer auf die Gabel.
Er verließ die Telefonkabine, trat an den Schalter und bezahlte die Gebühren für die Gespräche.
„Haben Sie sich geärgert, Erik?“ Kathis Stimme klang mitfühlend.
Erik stieß ein trockenes Lachen aus. „Nein. Alles bestens.“
„Wenn Sie noch etwas aus dem Tal brauchen, sollten Sie mir bald Bescheid geben. Günther Halbermaß kommt am Samstag.“
Erik nickte. „Ich werde die Schulbücher überprüfen. Gute Nacht, Kathi.“ Er ging auf die Eingangstür zu.
„Ach, Erik!“, rief Kathi. „Eins noch.“
„Ja?“
„Halten Sie sich von den Sonnleitners fern.“
„Warum?“, fragte er nach einer Weile.
„Weil sie mit dem Teufel umgehen!“, zischte sie. „Diese Familie bringt Unglück über unser Dorf, so wahr ich hier stehe!“
„Mir scheinen sie ganz vernünftig zu sein“, sagte er.
„Lassen Sie sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen, Erik. Halten Sie sich fern.“
Erik betrachtete die kleine Frau am anderen Ende des Raums, die ihn mit rotem Gesicht und erhobener Hand anstarrte. „Schon gut, Kathi“, sagte er schließlich mit bemüht ruhiger Stimme. „Ich weiß doch, wo ich hingehöre.“
Sie nickte und ließ ihre Hand sinken. „Das ist gut für Sie, Erik. Sehr gut sogar.“
Er wandte sich um und verließ das Postamt. Auf der Straße atmete er tief durch und versuchte, das beklemmende Gefühl bevorstehenden Unheils zu verdrängen, das mit einem Mal über ihn kam wie eine Sturmflut.
Teil II
„Man darf den Teufel nicht locken,
er kommt wohl sonst.“
Martin Luther, Tischreden
Kapitel 16
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