Der Teufel in uns - Mord in Bonn
morgen ihre Lebensversicherung kündigen, ihr bescheidenes Aktiendepot auflösen und das ganze frei gewordene Geld für das neue Gemeindezentrum spenden!
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Bonn - Abends
Ramona nahm einen Schluck aus der Cola-Flasche, die unter dem Kassentisch stand, lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und drehte sich damit leicht nach links, nach rechts, wieder links, rechts. Diese gleichförmige Bewegung war wie Schaukeln, es beruhigte sie ein bisschen.
Gott, war das wieder langweilig! Gut, sie bekam Geld fürs Nichtstun, da konnte man eigentlich nicht meckern.
Immerhin machte sich jetzt eine Kundin zur Kasse auf und legte ihre Einkäufe aufs Band. Ramona hatte sie noch nie hier gesehen. Eine Frau in ihrem Alter, Mund und Augen geschminkt, dunkelrotes Kostüm, farblich passende Schuhe. Wo mochte sie wohl arbeiten?
Ramona scannte einen Artikel nach dem anderen ein: ein Stück Rinderfilet (konnte sich Ramona nicht leisten), Nudeln, Butter, Kaffeesahne, Käse (den sauteuren, den Ramona niemals kaufen würde), Eier, Marmelade, Toast, eine Tafel exquisiter Schokolade (für fast 3,- €! Ramona begnügte sich mit der für 49 Cent!), zwei Schälchen Erdbeeren, superweiches Toilettenpapier.
Die Frau bezahlte, und Ramona war wieder fast allein im Supermarkt. Sie begann sich vorzustellen, wie es sein würde, jene Frau zu sein: gut bezahlter, interessanter Job, schicke Wohnung, fabrikneues Auto, netter Freund. Hätte sie auch haben können...wenn sie das Abi geschafft hätte. Und sie hätte es geschafft, wenn ihre Pläne nicht immer wieder von Männern durchkreuzt worden wären! Von Männern wie ihrem Bruder, von Männern wie diesem Scheißkerl Marcel oder diesem Lügner ,Arthur‘, der ihr falsche Hoffnungen gemacht hatte!
Auf der letzten Versammlung hatte sie sich beim bärtigen Gottfried ausgeweint, der sich in den letzten Wochen irgendwie zum Positiven verändert hatte. Er war reifer, vertrauenswürdiger geworden. Ja, sie hatte sich ihm anvertraut, und er hatte gemeint, Gott werde die, die andere Menschen absichtlich verletzten, besonders hart bestrafen.
Ja - richtig so! Ramona trat mit unglaublicher Wut im Bauch so heftig gegen die untere Wand der Kasse, dass oben eine Rolle mit 20-Cent-Münzen über die Kante kullerte. Auf den Boden, wo das Papier aufplatzte, und die Münzen in alle Richtungen davonrollten und -hüpften.
Verdammt noch mal, jetzt hatte sie Arbeit! Während sie auf den Knien rutschend die Geldstücke zusammensammelte, fragte sie sich, ob es schon zu spät war, oder ob sie jetzt, mit 34, ihrem Leben noch eine andere Richtung geben konnte?
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Bonn, Polizeipräsidium - Abends
Tina hatte das Kopfkissen auf den Boden gelegt, sich darauf vor das Bett gekniet, die Hände zum Gebet auf der Matratze gefaltet und den Blick in ihren rechten Daumennagel gebohrt.
Sie wälzte erst einmal ein paar Gedanken in ihrem Kopf herum, bevor sie leise anfing zu murmeln: „Lieber Gott, würde es dir was ausmachen, mir ein paar Minuten zuzuhören? Mir allein? Ganz ehrlich, ich finde, es reicht! Und deshalb will ich, dass diese Sache hier gut ausgeht! Mit Verlaub, du bist mir was schuldig – dafür, dass du nicht verhindert hast, was meine Mutter mir angetan hat! Ja, ich habe gesündigt, aber ich dachte, wir wären jetzt so gut wie quitt! Warum legst du mich schon wieder rein? Da schickst du mir diesen Jonas vorbei, und ich denke, er ist der Mann meines Lebens, und als was entpuppt er sich? Als Betrüger biblischen Ausmaßes! Gut, vielleicht war das wichtig, damit ich endlich erkenne, was und wer gut für mich ist und wer nicht.“
Tina machte eine Pause, griff in ihre Haare und riss sich die Perücke vom Kopf.
„Sieh mich an, Gott! Sieh dir an, was du zugelassen hast, und jetzt überleg dir gut, ob du mir auch noch Gottfried wegnehmen willst! Der Mann setzt sich für mich ein, er hilft mir, er liebt mich! Was ich von dir bisher nicht behaupten kann!“
Tränen stiegen in ihre Augen, und sie ließ ihren Kopf auf die gefalteten Hände sinken.
„Bitte, lass mich hier rauskommen, lass mich wenigstens eine Weile glücklich sein mit Gottfried! Bitte, Gott, wenigstens ein kleines Weilchen... Ein paar Jahre... Einmal im Leben ein paar Jahre glücklich sein... Ist das etwa zu viel verlangt?“
Kapitel 13
Bonn, Oberkassel - Samstag, 17. Mai, Früher Morgen
Andreas lag im Bett auf dem Rücken und fühlte sich noch nicht bereit, aufzustehen. Aber schlafen konnte er auch nicht mehr. Ihm geisterte ein Bild durchs Hirn, ein
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