Der Teufel in uns - Mord in Bonn
beeinflussen können. Wir sind anscheinend genetisch längst nicht so festgelegt, wie bisher ange –“
Andreas fiel ihm ins Wort. „Ja, wirklich hochinteressant. War noch jemand außer Ihnen im Labor?“
„Nach 21 Uhr war ich allein.“ Jetzt traf Andreas doch ein Blick voller entrüsteter Ungläubigkeit. „Wieso fragen Sie das überhaupt? Was hab ich denn mit der Ermordung dieses Herrn zu tun?“
„Das versuche ich herauszufinden.“ Andreas beugte sich ein wenig vor und stützte die Unterarme auf den Schreibtisch. „Sie sind verheiratet, Herr Stockbauer?“
„Ja.“
„Wie läuft es denn so in Ihrer Ehe?“
Stockbauer schaute weg, räusperte sich, befummelte seine Fliege und schien über die passenden Worte nachzudenken. Dann hatte er sie gefunden. „Wissen Sie, unsere Ehe verläuft ganz normal, mit allen Höhen und Tiefen. Warum fragen Sie?“
„Weil das Gerücht umgeht, dass Ihre Frau eine Affäre mit Hugo Voss hatte.“
Stockbauers Gesicht versteinerte, sein Blick wurde abwesend. Eine Hand wanderte auf seinen Mund, er gab einen würgenden Laut von sich, und schon passierte das, was Andreas in seinem Büro noch nicht erlebt hatte: Stockbauer wandte sich zur Seite und übergab sich auf den Fußboden.
Andreas fühlte sich für die Beseitigung solcher Sauereien nicht zuständig, alarmierte eine Putzfrau und zog Stockbauer mit sich in Manfreds Büro. Stockbauer wischte sich ständig mit einem Taschentuch über Mund und Hände und bat um ein Glas Wasser.
Als er es vor sich stehen hatte, fragte Andreas: „Geht’s wieder? Gut, Sie wussten also von dem Gerücht über die Affäre?“
„Nein, das war mir neu! Und im Übrigen ist da auch nichts dran, wissen Sie, das ist völliger Unsinn!“ Er trank Wasser und tupfte an seinem Mund herum. Sein Gesicht war weiß wie eine Schäfchenwolke am blauen Himmel und versuchte, auch so harmlos zu wirken.
Aber natürlich sprach die Reaktion seines Körpers Bände. Wenn Stockbauer gewusst hatte, dass seine Frau ihn betrog, hatte er ein Motiv. Außerdem war er als Wissenschaftler sehr wohl in der Lage, einen Nachahmungsmord genau zu planen.
Andreas stutzte. Aber war es nicht schon vorgekommen, dass ein Täter, nur um die Polizei zu verwirren, zwei oder drei Morde begangen hatte, obwohl es ihm eigentlich nur um ein bestimmtes Opfer ging? Oder gehörten solche Gedankengänge in die spektakuläre Welt des Films? Hatte er sich bei Sascha angesteckt?
„Sie meinen also, das sei Unsinn. Und was wird Ihre Frau dazu sagen?“
„Das gleiche!“
„Ist Ihre Frau um diese Uhrzeit zu Hause?“
„Keine Ahnung.“
„Dann geben Sie mir doch bitte ihre Handynummer.“
Der Mann guckte so verstockt, dass Andreas schon dachte, er werde kein Wort mehr sagen und nach einem Anwalt verlangen. Aber dann bearbeitete er noch einmal heftig seine Fliege, dachte nach und rückte die Nummer seiner Frau heraus.
Andreas rief sie sofort an und bestellte sie ins Präsidium. Er ließ Stockbauer erst gehen, als seine Frau ankam. Stockbauer würdigte sie keines Blicks.
Was sicher nicht einfach war, denn sie zog die Blicke regelrecht an: eine schlanke Blondine mit langen Haaren und langen Beinen, gut erhalten für ihr Alter, ziemlich geschminkt, Röhrenjeans, enger, knallroter Pullover. Strahlend nahm sie in Manfreds Büro Platz, schlug elegant ein Bein über das andere und schaute Andreas aus lavendelblauen Augen treuherzig an.
„Um was geht’s denn?“, fragte sie mit sanfter, hoher Stimme.
„Frau Stockbauer, kennen Sie Hugo Voss?“
Sie starrte Andreas an, als wolle sie ihn hypnotisieren. Aber wahrscheinlich wusste sie einfach nicht, was sie antworten sollte. Schließlich rang sie sich zu einem „Ja, aus der Bank“ durch.
„Herr Voss wurde gestern Abend ermordet.“
„Was?!“ Sie riss die Augen auf. „Aber das kann doch nicht sein! Ich war doch gestern –“
Sie brach ab, und Andreas beendete den Satz für sie. „Sie waren gestern Abend mit ihm zusammen. Ja, davon gehen wir auch aus. Erzählen Sie uns doch mal was darüber.“
Mit immer noch großen, erschrockenen Augen gab sie an, von ca. 20.30 Uhr bis 22.10 Uhr mit Voss in einem Siegburger Hotel zusammengewesen zu sein. Mittlerweile hatte sie feuchte Augen bekommen und sich schon zweimal die Nase geputzt, aber nach großer Trauer sah das noch nicht aus.
„Wie lange ging das schon mit Ihnen und Voss?“
„Seit Anfang des Jahres. Alle zwei Wochen.“
„Jeden zweiten Donnerstag und immer im selben Hotel?“,
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