Der Teufel in uns - Mord in Bonn
Mensch braucht.“
In Kirchs graugrünen Augen tauchte ein Leuchten auf. „Ja, Glaube. Den Glauben an Gott und an sich selbst. Wenn man daran glaubt, dass man viel mehr erreichen kann, als man je dachte, und daran glaubt, dass letztlich alles gut wird, weil man auf Gottes Hilfe vertrauen kann, dann hat man schon viel für das eigene Glücklichsein getan!“
„Zweifellos“, stimmte Andreas zu. Der Mann predigte anscheinend für sein Leben gern. „Und welche Rolle spielt der Teufel in dieser Philosophie?“
Das Leuchten in Kirchs Augen wurde schwächer, und er rührte ein paar Mal seinen Kaffee um. In diesem Moment erschien die Bedienung und fragte nach Manfreds und Andreas’ Wünschen. Sie bestellten sich ebenfalls einen Kaffee.
Als sie wieder allein waren, verschränkte Kirch die gepflegten Finger auf dem weißen Tischtuch und antwortete in einem Ton, als spreche der weise Lehrer zu seinen Schülern:
„Ich glaube nicht an den Teufel in Gestalt eines gehörnten Monsters mit Pferdefuß. Das gehört ins Mittelalter. Nein, ich glaube, der Teufel steckt in uns selbst... Eigentlich sind es viele kleine Teufel. Man sollte nie vergessen, dass der Mensch auch ein denkendes und planendes Raubtier ist, das in der Kindheit ordentlich erzogen werden muss, und zwar dazu, die vielen, kleinen Teufel in sich zu kontrollieren. Manche Eltern schaffen das nicht, und ich versuche nun, diese ,Erziehung‘ bei den Erwachsenen nachzuholen. Die meisten Leute verstehen nicht, dass sie sich mit ihrem unkontrollierten Verhalten letztlich selbst schaden. Was meinen Sie, welches Teufelchen ist das Schlimmste?“ Kirch schenkte Andreas ein warmes Lächeln. Andreas schüttelte den Kopf.
„Es ist der Neid. Menschen wollen das haben, was andere Menschen haben (da kommt übrigens der Affe durch): Geld, Erfolg, Gesundheit, geliebte Menschen, Glück in jeder Form. Aber sagen Sie selbst, was bringt es, voller Neid auf andere zu starren und nichts für die eigene Zufriedenheit zu tun? Gar nichts, es tut nur weh, und es macht bitter! Und dabei weiß man noch nicht mal, ob man mit dem, um das man die anderen beneidet, wirklich glücklich wäre. Nehmen wir ein Beispiel.“
Kirch machte eine Pause, überlegte, strich sich übers graue Haar und fasste an sein Kreuz. Das durchaus, wie Andreas auffiel, die richtige Größe für die Brandverletzungen hatte. Dann fuhr er fort: „Es gibt viele Menschen, die berühmte Schauspieler oder Sportler beneiden, vor allem sicher um ihr Geld. Aber würden diese Menschen tatsächlich in der Schauspielerei oder im Sport ihre Erfüllung finden? Ich habe gehört, dass beides harte Arbeit ist, dass man viel unterwegs ist und wenig Zeit fürs Privatleben hat. Das bedenken die Wenigsten! Nein, der Kern der Suche ist doch der, dass man herausfinden muss, was der Begriff ,Glück‘ für einen selbst bedeutet. Und –“
„Herr Kirch, entschuldigen Sie, aber wir wollten eigentlich über etwas anderes mit Ihnen reden“, fiel ihm Andreas leicht gereizt ins Wort. Er war nicht hier, um einem Vortrag über Glück zu lauschen! „Können Sie sich vorstellen, dass einer Ihrer Anhänger die Sache mit dem Teufel im Menschen falsch verstanden hat und jetzt durch die Stadt zieht und Teufel austreibt?“
Kirch guckte ein wenig indigniert, dann dachte er ausführlich nach. Was er dann sagte, klang nicht mehr ganz so heilig.
„Sie reden von den sogenannten Ritualmorden? Na ja, ich kenne noch nicht alle Mitglieder der Gemeinde so gut, dass ich das komplett ausschließen würde. In jeder Stadt gibt es mindestens einen Schwerstgestörten, dem nicht zu helfen ist und der sich vielleicht zufällig in meine Gruppe verirrt hat. Aber ich würde mich auf keinen Fall dafür verantwortlich fühlen, wenn er Leute umbringt!“
„Das müssen Sie auch nicht, Herr Kirch“, beruhigte ihn Andreas. „Kennen Sie denn Herrn Zorn, Herrn Fiedler oder Herrn Valoschek näher?“
Kirch wirkte erstaunt. „Sie meinen, einer von denen könnte der Mörder sein?“ Wieder dachte er nach. „Sie waren alle von Anfang an in der Gruppe, wir haben uns ab und zu was aus unserem Leben erzählt, und besonders Holger redete immer ziemlich wirres Zeug. Bei ihm bin ich mir nicht sicher, ob er geisteskrank ist oder einen Hirnschaden vom Alkohol hat! Ich kann nicht ausschließen, dass er ein irrer Killer ist.“ Kirch trank Kaffee und runzelte die Stirn. „Benny war im Heim und als Jugendlicher drogenabhängig. Bis er ein Nahtoderlebnis hatte: Sein Herz blieb
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