Der Teufel trägt Prada
sein soll, hatte ich nur ein paar Minuten im Auto, um sie mir anzusehen. Was denn?«, setzte ich nach. »Erstaunt Sie das etwa? Nicht doch. Für eine Party von Miranda ist das völlig normal.«
»Ich dachte bloß, heute Abend würden keine Berühmtheiten erwartet«, sagte sie in Anspielung auf Mirandas sonstige Veranstaltungen in diesen heiligen Hallen. Als bedeutender Mäzenatin wurde Miranda häufig das Sonderprivileg zuteil, das Metropolitan Museum of Art für Privatfeste und Cocktailempfänge mieten zu dürfen. Mr. Tomlinson hatte nur einmal anzufragen brauchen – und Miranda überschlug sich schier, um die Party für ihren Schwager zum spektakulärsten Ereignis in der Geschichte des Hauses zu gestalten. Dort zu dinieren, würde die reichen Südstaatler und ihre Vorzeigefrauen nachhaltig beeindrucken, vermutete sie – und zwar durchaus zu Recht.
»Ja, so auf Anhieb kennt man wohl keinen von der Bagage – halt ein Haufen Milliardäre mit netten kleinen Anwesen südlich der Mason-Dixon-Linie. Normalerweise finde ich bei solchen Anlässen die Porträts der Gäste irgendwo online oder in Women’s Wear Daily oder so. Ich meine, ein Bild von Königin Nur, von Michael Bloomberg oder von Yohji Yamamoto ist zur
Not relativ leicht aufzutreiben. Aber Mr. und Mrs. Packard, aus irgendeinem noblen Vorort von Charleston oder wo zum Teufel sie eben wohnen? Mirandas zweite Assistentin hat sich drangemacht, während das restliche Büro damit zugange war, mich für heute Abend auszustaffieren; die meisten Gäste waren dann schließlich auch in den lokalen Klatschspalten und auf diversen Websites von Firmen ausfindig zu machen, aber es hat sie echt den letzten Nerv gekostet.«
Ilana starrte mich unverwandt fassungslos an. Irgendwie war mir klar, dass ich mich wie eine aufgezogene Puppe anhörte, trotzdem konnte ich nicht aufhören. Ihr unverhohlenes Entsetzen machte für mich alles nur noch schlimmer.
»Es ist nur noch ein Paar übrig, aber das werde ich dann wohl per Ausschlussverfahren identifizieren«, sagte ich.
»Meine Güte, es ist mir ein Rätsel, wie Sie das schaffen. Mir stinkt es ja schon, dass ich meinen Freitagabend opfern muss, aber Ihren Job würde ich im Leben nicht hinkriegen. Wie halten Sie das bloß aus? Sich so anpflaumen, so mit sich umspringen zu lassen?«
Ich stutzte kurz – mit dieser Frage hatte sie mich kalt erwischt. Niemand hatte bisher je aus freien Stücken etwas Negatives über meinen Job geäußert. Immer hatte ich geglaubt, unter den Millionen junger Frauen, die angeblich ihr Leben geben würden, um an meiner Stelle zu sein, sei ich die einzige, die meine Situation nicht ganz so uneingeschränkt rosig sah. Ihr geschockter Blick traf mich mehr als die aberhundert Idiotien, mit denen ich mich täglich in der Arbeit herumschlug; ihr reines, unverfälschtes Mitleid ließ einen Damm in meinem Inneren brechen. Was in all den Monaten unmenschlicher Plackerei für eine unmenschliche Herrin unterdrückt worden war, aufgehoben für einen passenderen Moment, kam nun mit Macht hoch. Ich brach in Tränen aus.
Die arme Ilana wusste vor Schreck nicht mehr aus noch ein. »Ach herrje, Sie Ärmste! Es tut mir ja so Leid! Das wollte ich
doch nicht. Sie haben wirklich einen Heiligenschein verdient dafür, dass Sie es mit dieser Hexe aufnehmen, hören Sie? Kommen Sie mit, hier entlang.« Sie nahm mich bei der Hand und zog mich in ein Büro am Ende eines weiteren unbeleuchteten Flurs. »So, und jetzt setzen Sie sich mal einen Augenblick ganz ruhig hin und lassen es sich egal sein, wie diese ganzen Gipsköpfe aussehen.«
Ich schniefte und kam mir dämlich vor.
»Sie brauchen sich nicht komisch vorzukommen deswegen, okay? Ich habe den Eindruck, als würde das schon ganz, ganz lange in Ihnen rumoren. Es tut doch gut, sich gelegentlich mal richtig auszuweinen.«
Während ich mich mühte, mir die Wimperntusche von den Wangen zu reiben, kramte sie in ihrem Schreibtisch herum. »Ah, da«, sagte sie dann triumphierend. »Für Sie, bevor ich es vernichte; und sollten Sie in Versuchung geraten, irgendwem davon zu erzählen, mache ich Sie zu Hackfleisch. Aber jetzt sehen Sie – und staunen Sie.« Lächelnd gab sie mir einen braunen Umschlag, versiegelt mit einem Aufkleber, der den Inhalt als »Vertraulich« markierte.
Ich riss das Siegel ab und zog einen grünen Schnellhefter hervor. Er enthielt ein Foto – genauer gesagt eine Farbkopie – von Miranda, hingerekelt auf den schwellenden Sitzpolstern eines
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