Der Teufel und die Lady
lasteten so viele Bürden auf ihm, dass er sich wie gelähmt fühlte.
Die Stille lag wie ein Leichentuch über der Burg. Keine Bediensteten kamen ihnen mit Fackeln entgegen, um sie zu begrüßen. Kein Kind spielte in den großen Regenpfützen. Kein Gelächter drang aus den Fenstern. Kein Rauch quoll aus den Kaminabzügen. Die Luft roch nach Regen und Moder, statt nach frischem Brot und heißen Eintöpfen.
Die fehlende Begrüßung schien ein Hinweis auf den Zustand seiner Ehe zu sein. Freudlos. Einsam. Wie ein Schlachtfeld am Morgen nach dem Gemetzel. In Gedanken sah er seine widerspenstige Gemahlin vor sich. Sich selbst nannte er einen grenzenlosen Narren, weil er in diese Familie eingeheiratet hatte. Er hätte dem König seinen Wunsch geradeheraus abschlagen sollen, anstatt sich mit diesen verräterischen Teufeln einzulassen.
Und diese Ehe war noch nicht einmal vollzogen worden.
Einen Erben zu zeugen, hätte eigentlich eine angenehme Pflicht für ihn sein sollen, aber im Moment fühlte er sich zu ausgelaugt dazu. Jetzt sehnte er sich nur nach einem anheimelnden Feuer und einer guten Mahlzeit – wie es Godric zweifellos vergönnt gewesen war, als er zu Meiriona nach Whitestone zurückgekehrt war. James konnte sich gut vorstellen, wie Meiriona aus dem Bergfried in den Regen hinausgestürmt war, um ihren Gemahl zu begrüßen.
Er sah sich um und redete sich ein, dass er nicht nach seiner eigenen Ehefrau Ausschau hielt. Aber auch wenn es keine warmherzige Begrüßung gab, hatte sie sich ja vielleicht im vergangenen Monat mit dem Gedanken an die Ehe ausgesöhnt. Er hatte weder Lust noch die Geduld, sie in dieser Nacht mit hübschen Worten zu verführen. Die Ehe musste endlich vollzogen, ein Erbe gezeugt und seine Mission hier beendet werden, damit er endlich wieder zur See fahren konnte.
Er sah zu den drohend aufragenden Türmen des Bergfrieds. Dunkel und unheilvoll zeichneten sie sich vor dem Nachthimmel ab. Nur eine schmale Mondsichel stand zwischen ein paar Wolken am Himmel. Sterne waren nicht zu sehen, als hätte der endlose Nieselregen sie fortgespült.
Ein markerschütternder Schrei irgendwo im Bergfried zerriss die Stille.
James sprang vom Pferd, drückte einem herbeieilenden Stallburschen die Zügel in die Hand und rannte mit gezücktem Schwert in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Das Blut strömte schneller durch seine Adern und vertrieb seine Müdigkeit. Gereizt betrat er den Bergfried – schon wieder musste er Verantwortung übernehmen und irgendein Problem lösen.
Weiter vorn, am Fuß der Treppe, die hinauf zum Wehrgang führte, bildete sich bereits eine kleine Menschentraube. Auch Gabriel war anwesend, so wie eine ganze Reihe Bediensteter. Aufgeregtes Stimmengewirr hallte von den Mauern wider.
James bahnte sich einen Weg durch die Menge nach vorn. Eine Frau mit kurzen roten Locken lag in seltsam verdrehter Stellung auf den Stufen. Brenna!
Gabriel beugte sich über sie und versuchte ein Lebenszeichen von ihr zu entdecken.
„Verdammt“, stieß James hervor. Hatte seine Gemahlin sich absichtlich die Treppe hinuntergestürzt, als sie seine Ankunft vom Wehrgang aus gesehen hatte? Hatte der Monat der Trennung denn gar nicht dazu beigetragen, dass das Weib sich mit ihrer Verbindung ausgesöhnt hatte? Er kniete sich neben sie.
Flüchtig durchzuckte ihn das schlechte Gewissen, weil er sie in Ketten zurückgelassen hatte, aber dann schalt er sich dafür. Diese Frau und ihre ganze Familie waren schließlich eine verdammte Bedrohung für ihn.
„Brenna?“
Sie lag reglos da, ein Arm war nach hinten verzerrt. Sie trug eine erbärmliche braune Tunika, auf ihrer Stirn klaffte eine Wunde. Ihr Gesicht war so schmutzig, dass er das Ausmaß der Verletzung nicht erkennen konnte. Er rieb über einen Schmutzfleck, aber seine Hände waren noch feucht vom Regen, und so verschmierte er ihn nur noch mehr.
James legte ihr eine Hand auf die Brust. Brenna regte sich zwar nicht, atmete aber ruhig und regelmäßig. Er tastete rasch ihre Arme und Beine ab und kam zu dem Schluss, dass sie sich nichts gebrochen hatte. Mit etwas Glück war sie nur bewusstlos und sonst nicht ernsthaft verletzt.
Er strich ihr eine Locke aus dem Gesicht und schüttelte sie sanft. „Brenna? So wacht doch auf!“
Keine Antwort.
Ihre Züge waren entspannt wie im Schlaf. Trotz des Schmutzes wirkte sie wie ein unschuldiges, argloses junges Mädchen, weit entfernt von der Frau, die versucht hatte, ihn zu erdolchen. Er würde gut
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