Der Teufel vom Schefflerhof
lang hier bleiben, wie du es für richtig und gut befindest. Du weißt, dass ich deinen Mann noch nie für besonders sympathisch angeschaut hab. Und wenn ich mich nicht irre kann ich an deiner Wange noch immer den etwas erhöhten roten Fleck sehen, den seine Hand hinterlassen hat."
Dagmar wagte kaum aufzusehen. "Ich... er hat mir eine heruntergehauen, ich weiß nicht einmal so genau, weshalb", gestand sie mit bebender Stimme und legte erschrocken ihre Hand an die noch immer brennende Wange. "Das hatte ich ganz vergessen", fügte sie verlegen hinzu.
"Zu dem gehst nimmer zurück." Zorn stand in Martins markantem Gesicht. Eigentlich sah er gar nicht aus wie der Gastwirt einer Dorfwirtschaft. Er war groß und schlank und seine dichten Haare waren dunkel und leicht gewellt. In seinem kantigen Gesicht blitzten dunkle Augen auf, die an seine Südtiroler Herkunft erinnerten.
"Geh Martin, das kann ich nicht", widersprach Dagmar unglücklich. "Ich muss doch wegen Paola wieder heim." Ihre Stimme zitterte. "Ich kann dem Madl nicht die Zukunft nehmen. Sie hat doch... sie kann doch nichts dafür. Und dann würde ich sie womöglich auch verlieren."
"Geh, Dagmar, setz dich zu mir in die Stube. Ich mag private Gespräche nicht in der Gaststube führen." Martin schien verwirrt. Er nahm den Arm der Unglücklichen und führte sie in seine angrenzende Wohnung, die geschmackvoll und gar nicht zu einem Junggesellen passend eingerichtet war. "Setz dich. Magst was trinken?"
Dagmar Scheffler nickte und ließ sich auf das b equeme Sofa fallen. Sie war schon öfter in Martins Wohnung gewesen, doch diesen Raum hatte sie noch nie zuvor betreten. Für einen Moment vergaß sie sogar ihren Kummer und schaute sich interessiert um. "Schön hast es hier, Martin. Ich kann mir vorstellen, dass du dich hier sehr wohl fühlst."
"Schon", gab der Mann zögernd zu und blieb an der Tür stehen. Er betrachtete sie nachdenklich, dann wandte er sich um und ging eilig in die Küche. Wenig später kam er zurück mit einer Kanne und zwei Gl äsern. "Ich hab frischen Tee aufgebrüht, der wird dich beruhigen. Magst darüber reden? Warum hattet ihr Streit?"
Dagmar zögerte, denn sie wusste eigentlich keine An twort. "Ich weiß es nicht, kann mir keinen Grund vorstellen", gestand sie nach einer Weile. "Karl wird mehr und mehr zu einem Tyrannen. Wenn er mir weh tun kann, dann tut er das. Er genießt es regelrecht, mich in die Knie zu zwingen. Dann freut er sich so auffallend, dass es kaum zu ertragen ist. Er hatte keinen Grund, so gemein zu sein, denn ich hab ihm keinen Anlass zum ärgern gegeben. Er hat nach Streit gesucht. Und als ich es nicht mehr ertragen konnte, bin ich einfach davongelaufen."
"Ob das gut war...", gab Martin Brenner zu bede nken. "Dein Mann weiß jetzt, wie er dir weh tun kann. Er wird immer und immer wieder in diese Kerbe schlagen, weil er deine Gefühle kennt." Er schien ehrlich besorgt zu sein.
Dagmar schüttelte den Kopf. "Der kann mir nicht mehr weh tun. Ich hab ihn geheiratet, damals, als ich nicht mehr weiter wusste. Ich dachte wirklich, er liebt mich. Dabei hat er nur..." Sie lachte, doch ihre Stimme schwamm in Tränen. "Wenn der eigene Mann die Hand hebt, um seine Frau zu schlagen, und die Frau läuft in höchster Not davon, ist das in meinen Augen ohnehin das Ende der Ehe."
Martin, der Gastwirt, merkte endlich, wie ernst die Situ ation war, in der Dagmar sich befand. Sie lebte in einer Ehehölle, aus der sie sich im Augenblick noch nicht befreien konnte. Sie kämpfte verzweifelt gegen Härte und Gleichgültigkeit des Menschen an, dem sie einst ihr Vertrauen geschenkt hatte. Jetzt wirkte sie nur noch verhärmt und ängstlich.
Überrascht stellte der Gastwirt fest, dass er die Frau am liebsten in die Arme genommen hätte , um ihr zu versichern, dass er für sie da war, um sie zu behüten und zu beschützen. "Was kann ich tun?", fragte er einfach.
Überrascht schaute Dagmar ihren Arbeitgeber an. "Man kann nichts tun", antwortete sie. "Die Entscheidung dafür ist schon vor vielen Jahren gefallen. Ich war in Not, völlig verzweifelt und sah keine Zukunft mehr. Dann kam Karl und hat mir erzählt, er würde mir die Sterne vom Himmel holen, trotz allem", sagte sie leise und schaute ihn mit einem müden Lächeln an. "Heute kann ich nichts mehr tun", stellte sie resigniert fest. "Karl hat sich so verändert, dass ich fast glaube, ihn niemals wirklich kennen gelernt zu haben.
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