Der Teufel von Garmisch
spitzte die Lippen. Frau Fuchs hob
die Schultern. Schwemmer wies mit dem Daumen unauffällig auf seine Bürotür,
aber Frau Fuchs zeigte auf den Aktenstapel, den sie trug, und schüttelte den
Kopf. Schwemmer nickte und ließ resigniert die Schultern sinken. Langsam ging
er zu seinem Büro, während Frau Fuchs eilig die Treppe hinunterstöckelte.
Als er die Tür aufmachte, klingelte bereits der Apparat auf seinem
Schreibtisch. Natürlich war es Hessmann, der ihn sofort zu sprechen wünschte.
»Grüß Gott, Herr EKHK . Nehmen Sie
Platz«, sagte der Polizeidirektor und deutete gönnerhaft auf den Stuhl vor
seinem Schreibtisch. »Man hat mir mitgeteilt«, fuhr er fort, ohne zu warten,
bis Schwemmer saß, »dass Sie Herrn Schafmann die Leitung der Mordkommission
übertragen haben.«
»Das ist richtig«, sagte Schwemmer.
»Vielleicht sollten wir noch mal das neue Organigramm
durchsprechen«, sagte Hessmann.
Das hieß übersetzt nichts anderes als: Du hast verdammt noch mal
deine Kompetenzen überschritten, du Würstchen!
»Wir haben Sie so schnell nicht erreichen können«, sagte Schwemmer.
»Hauptkommissar Schafmann hat das in den letzten Jahren eigentlich immer
gemacht. Die Resultate waren durchweg gut bis hervorragend.«
Es war mehr ein formaler Abwehrversuch. Aber er konnte ja schlecht
nichts sagen. Jetzt war Hessmann wieder am Zug. Er würde darauf hinweisen, dass
das neue Organigramm eben neu sei und dass jahrelange Erfahrung, positiv hin
oder her, etwas für die Tonne war.
»Die Dienststelle wurde umstrukturiert, Herr Schwemmer, und dem
haben wir Rechnung zu tragen.«
Selten hatte in Schwemmers Ohren ein »wir« derart falsch geklungen.
Schafmann führte die Mordkommission, Schwemmer koordinierte – mit dem System
lagen sie seit fünf Jahren bei hundert Prozent Aufklärungsquote.
Er war gespannt, wie Hessmann das verbessern wollte. Immerhin hatte
er eine Ahnung.
»Die Leitung der Mordkommission übernehmen Sie. Schafmann leitet die
Ermittlungen vor Ort.«
»Und wer koordiniert?«, fragte Schwemmer, weniger gespannt auf die
Antwort als auf deren Formulierung.
»Koordiniert, Herr Schwemmer, wird an der Spitze.« Hessmann funkelte
ihn an. Er schien mit sich zufrieden.
Schwemmer war eher der Ansicht, dass von der Spitze koordiniert würde, denn an der Spitze war
ja nur einer, was gab’s da zu koordinieren, aber Schwamm drüber.
»Alles klar«, sagte er nur und sah auf die Uhr. »Dann muss ich mich
auf die Sitzung vorbereiten.« Mit den Worten stand er auf.
Hessmann schien ein wenig enttäuscht, so als habe er mit mehr
Widerstand gerechnet.
»Pfüat Eane«, sagte Schwemmer und verließ mit einem freundlichen
Winken das Büro seines Chefs.
Das Lächeln hielt genau so lange, wie die Tür offen war. Er sah den
Flur entlang, denn er hatte nicht vor, das Dienststellengerücht »Schwemmer war
beim Chef und ist jetzt sauer« in Umlauf zu bringen. Zwei Kollegen vom K3
standen beieinander und redeten. Er ging beherrscht an ihnen vorbei in sein
Büro und schloss die Tür konzentriert hinter sich.
»Herrgottsakramentnochamal!«, sagte er dann.
Degradiert bei gleichen Bezügen, so kam es ihm vor. Bisher hatte er
sich tatsächlich wenig daraus gemacht, dass man ihm Hessmann vor die Nase
gesetzt hatte, aber diesmal fühlte er sich angefasst. Er warf sich in seinen
Stuhl und hackte Schafmanns Nummer ins Telefon. Er meldete sich nicht.
Schwemmers Armbanduhr zeigte elf Uhr vierzig.
Das darf ja wohl nicht wahr sein, dachte er und wählte Schafmanns
Handynummer.
»Zurzeit nicht erreichbar …«
Schafmann glaubte, der Leiter der Mordkommission zu sein, und er war
zwanzig Minuten vor Sitzungsbeginn nicht erreichbar. Vielleicht kommt das neue
Organigramm ja gerade recht, dachte Schwemmer.
Er rief ziemlich heftig »Herein«, als es an der Tür klopfte.
Dr. Isenwald trat ein. Mit einer spöttischen Falte auf der
Stirn wünschte sie ihm einen guten Tag.
»Schlecht gelaunt?«, fragte sie.
»Ja«, antwortete Schwemmer.
Sie setzte sich, ohne seine Aufforderung abzuwarten. »Ich habe
gehört, Sie leiten die Mordkommission.«
»Das hab ich auch gehört.«
»Wo steckt denn unser Herr Schafmann?«
»Sie wissen, dass ich diese Frage normalerweise mit ›beim Arzt‹
beantworte. Dieses Mal lautet die Antwort: Ich weiß es nicht.«
»Herrschaftszeiten, Sie sind aber wirklich schlecht gelaunt.«
»Sag ich doch.«
»Na schön, dann werden wir mal dienstlich«, sagte sie. »Von
Pollscheidt hat sich zuerst die ältere
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