Der Teufel von Herrenhausen
dass irgendwann was Schreckliches passieren würde mit
meiner Mutter … dass sie im Suff sonst was anstellt, aber … ermordet …«
Bergheim und
Charlotte warfen sich einen Blick zu und überließen die junge Frau einen
Augenblick ihren Tränen. Dann räusperte sich Charlotte.
»Frau Weiß, wir
wissen, dass das im Moment sehr schwer für Sie sein muss, aber meinen Sie, Sie
könnten uns einige Fragen beantworten?«
Silvia Weiß
schluchzte und griff nach einem Tempotaschentuch. »Ja, natürlich. Ich muss mich
zusammennehmen, auch wegen Sina.«
»Hat Ihre Mutter
Sie oft besucht?«, fragte Charlotte.
»Nein«, Frau Weiß
schüttelte den Kopf, »sie kam vielleicht ein- oder zweimal im Jahr, und wir
wohnen seit drei Jahren hier.«
»Wissen Sie, warum
Ihre Mutter nach Hannover gekommen ist?«
Frau Weiß zuckte
mit den Schultern. »Wir haben ja früher da gewohnt. Meine Großeltern hatten
eine große Wohnung in Vahrenwald. Aber die sind vor zwölf Jahren tödlich
verunglückt, und meine Mutter konnte die Miete nicht mehr bezahlen. Dann sind
wir in eine kleinere Wohnung nach Sehnde gezogen, und da hat meine Mutter
angefangen zu trinken.«
Frau Weiß legte
den Kopf in die Hände. »Das war schlimm dort, meine Mutter schleppte andauernd
irgendwelche Typen an, aber die sind alle nicht lange bei ihr geblieben. Klar,
wer will schon eine Frau, die trinkt. Anfangs merkte man es ihr nicht so an,
aber dann … wurde sie entlassen, und sie hatte diesen Unfall.«
»Was war das für
ein Unfall?«, fragte Charlotte.
Frau Weiß
schluckte. »Sie hat ihren nagelneuen Golf zu Schrott gefahren. Und den hatte
sie auf Kredit gekauft. Sie war einfach von der Straße abgekommen und ist gegen
einen Baum geknallt. Das war vor vier Jahren.«
»Ist ihr nichts
passiert?«
»Doch, sie musste
operiert werden und hat längere Zeit im Krankenhaus gelegen. Damals hatte ich
gehofft, das würde sie zur Vernunft bringen und sie würde endlich mit dem
Trinken aufhören.«
»Wo hat Ihre Mutter
gearbeitet?«, fragte Bergheim.
»Sie war
Filialleiterin bei Rossmann.«
»Was ist mit Ihrem
Vater?«
»Meinen Vater hab
ich nie kennengelernt. Meine Mutter war erst neunzehn, als sie mich bekam. Er
wär abgehauen nach Portugal oder sonst wohin, hat sie gesagt. Meine Großeltern
haben uns unterstützt, aber meistens waren wir ziemlich knapp bei Kasse.«
»Können Sie uns
sagen, mit wem Ihre Mutter in letzter Zeit Kontakt hatte?«, fragte Bergheim.
Wieder schüttelte
die junge Frau den Kopf. »Was sie in den letzten Jahren getrieben hat, davon
hab ich keine Ahnung. Sie war, glaub ich, ganz zufrieden in ihrer
Wohngemeinschaft. Sie lebte schon seit fast zwei Jahren dort. Wir hatten damals
extra einen Therapieplatz in Bethel genommen, damit ich sie öfter besuchen
kann. Und jetzt hatte sie dort mit einer Frau zusammen eine Wohnung und
arbeitete irgendwo in der Stiftung.«
»Hatte sie keinen
Freund?«, wollte Charlotte wissen.
Frau Weiß seufzte
tief. »Ja, Männer, das war auch so eine Sache. Meine Mutter war nicht besonders
wählerisch, wenn sie betrunken war, und das war sie bis vor zwei Jahren
eigentlich immer. Aber einen richtigen, dauerhaften Freund hatte sie, soweit
ich weiß, nie.«
Silvia Weiß
blickte nachdenklich aus dem Fenster. Der imposante Turm des Paderborner Doms
thronte über den Dächern der Stadt. »Allerdings hat sie mal einen erwähnt, den
sie in der Therapie kennengelernt hat.«
»Wissen Sie, wie
er hieß?«
»Nein, das hat sie
nicht gesagt. Das war ganz am Anfang, muss also fast zwei Jahre her sein. Sie
hat dann nicht mehr davon gesprochen. Ich glaube auch nicht, dass es was
Ernstes war.«
Bergheim und
Charlotte warfen sich einen Blick zu und erhoben sich dann.
Charlotte legte
ihre Karte auf den Tisch. Frau Weiß blieb sitzen. Es hatte den Anschein, als
wolle sie die Beamten nicht gehen lassen. Sie schluckte.
»Wann, meinen Sie,
können wir meine Mutter beerdigen?«
»Das wird noch ein
paar Tage dauern«, sagte Charlotte.
In diesem Moment
kam Sina in die Küche gewackelt. »Mama, hab Durst«, quengelte sie.
Frau Weiß nahm das
Kind auf den Arm. »Ja, du bekommst gleich was.«
»Wann kommt Ihr
Mann nach Hause?«, fragte Bergheim, der sich nicht sicher war, ob sie die junge
Frau allein lassen sollten.
»Er müsste bald
hier sein«, sagte Frau Weiß. »Und meine Schwiegermutter wird wohl auch jeden Moment
kommen«, fügte sie ohne Begeisterung hinzu.
Charlotte und
Bergheim verabschiedeten sich und betraten wenige
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