Der Teufel von Herrenhausen
ich
irgendwie helfen kann«, sagte sie. »Jutta war echt eine Nette.«
Bergheim und
Charlotte betraten eine kleine Diele. Dr. Leineweber verabschiedete sich.
Frau Haferkamp
führte sie durch eine der drei Türen, die von der Diele abgingen, in ein
kleines, spärlich, aber zweckmäßig möbliertes Zimmer. Es gab eine Schlafcouch
mit einem Beistelltisch und einen Esstisch mit zwei Stühlen.
Charlotte und
Bergheim griffen sich jeweils einen Stuhl, während Frau Haferkamp sich auf die
Schlafcouch fallen ließ und dabei eine selbst gedrehte Zigarette aus der
Tabaktüte nahm, die auf dem Tisch lag.
»Ich hab die ganze
Zeit hier gesessen und mich gefragt, warum, zum Teufel, sie mir nichts erzählt
hat«, sagte Frau Haferkamp und blies eine Rauchwolke gegen die vergilbte
Zimmerdecke.
»Sie wissen also
nicht, wo sie hinwollte?«, fragte Bergheim.
Frau Haferkamp
schüttelte energisch den Kopf, sodass ihre dünnen, schwarz gefärbten Haare
nachzitterten. »Sie hat gesagt, sie wollte ihre Tochter besuchen. Von Hannover
hat sie keine Silbe gesagt«, Frau Haferkamp nahm einen Zug, »und ich hab
gedacht, sie würde mir vertrauen.«
»Hatte sie einen
Freund, oder hat sie jemand öfter mal besucht?«, fragte Charlotte.
»Nee, einen Freund
hatte sie nicht, soviel ich weiß, und Besuch …«
Frau Haferkamp
runzelte plötzlich die Stirn und blickte an Charlotte vorbei aus dem Fenster.
»Also … ich weiß nicht mehr genau, aber ich glaube, vor ein paar Wochen war mal
wer da. ‘n Mann, glaub ich, ‘n Bekannter von früher, hat sie gesagt. Ich
glaube, sie mochte ihn nicht besonders. Da kann ich mich auch bloß deswegen
dran erinnern, weil sie so … na ja … gedankenverloren war, als sie wiederkam.«
Charlotte richtete
sich auf und warf Bergheim einen Blick zu.
»Können Sie sich
erinnern, wer das war?«
»Nee, also, das
tut mir jetzt leid, aber ich hab ihn nur ganz kurz von Weitem gesehen. Er trug
so eine schwarze Kappe. Ziemlich groß war er, das weiß ich noch.«
»Haben Sie eine
Ahnung, wo die beiden gewesen sind?«, fragte Bergheim.
Frau Haferkamp
zuckte mit den Schultern. »Nee … ach doch, sie hat was von ›Spazierengehen‹
gesagt. Hat mich noch gewundert, das war sonst nicht ihr Ding.«
»Wann genau war
das?«
»Also … da lassen
Se mich mal überlegen, wann war denn das. Wir hatten gerade unser
Gruppentreffen gehabt, muss also ein Donnerstag gewesen sein. Genau, das war
der zweite Donnerstag im Juli. Am zweiten Donnerstag im Monat haben wir immer
unsere Gesprächsrunde.«
»Hat sie irgendwas
über das Treffen gesagt?«, fragte Charlotte.
»Nee, das nicht,
sie war nur ganz in Gedanken, danach«, sagte Frau Haferkamp und drückte ihre
Zigarette aus. »Na ja, und sie hat ein- oder zweimal telefoniert. Und zwar
nicht mit ihrer Tochter. Mit der redete sie anders.«
Charlotte horchte
auf. »Wissen Sie, mit wem sie telefoniert hat? Hat sie was gesagt?«
»Keine Ahnung«,
sagte Frau Haferkamp, »und gesagt hat sie auch nix.« Das klang ein bisschen
traurig.
»Können Sie sich
sonst an irgendwas erinnern, was in der letzten Zeit vorgefallen ist und uns
weiterhelfen könnte?«, fragte Bergheim.
Frau Haferkamp wandte
ihm ihr aufgeschwemmtes Gesicht zu und seufzte theatralisch. »Nee, ich wollt,
ich könnte, glauben Se mir.«
Bergheim und
Charlotte erhoben sich. Charlotte legte ihre Karte auf den kleinen Glastisch.
»Wir würden uns
jetzt gern das Zimmer von Frau Frieder ansehen.«
Frau Haferkamp
erhob sich. »Dann kommen Se mal. Sieht genauso aus wie meins.«
Das stimmte. Die
beiden Zimmer unterschieden sich nur insofern, als im Zimmer von Jutta Frieder
zwei Umzugskartons standen.
Die beiden Beamten
standen ziemlich fassungslos in dem unpersönlichen Raum. Wie armselig, dachte
Charlotte, dass sich ein – wenn auch nur recht kurzes – Leben in zwei
Umzugskartons verpacken ließ.
Es war halb sechs.
Keine günstige Zeit für eine Fahrt auf der A 2. Sie brauchten fast zwei Stunden
für die hundert Kilometer nach Hannover. Jutta Frieders Habseligkeiten hatten
sie im Gepäck. Es waren nicht mehr als die zwei großen Umzugskartons, von denen
einer die Kleidung enthielt, der andere persönliche Dinge, wie
Toilettenartikel, ein paar Bücher, zwei DIN-A 4-Ordner,
einen MP 3-Player, einen Karton mit alten
Fotos und Ansichtskarten, ein paar Boulevard-Zeitschriften, ein Lehrbuch über
Buchführung und zwei über Gartenbau und Blumenzucht, ein altes Märchenbuch,
eine Tüte Lakritz-Katzenpfötchen und einen
Weitere Kostenlose Bücher