Der Teufel von New York
Piest verbeugte sich ebenfalls, und zwar lächerlich tief.
Er griff nach den Schafsdarmkondomen und ließ sie wieder in seiner Tasche verschwinden. »Ich werde den Besitzer finden, Mr. Wilde. Ich werde Nachforschungen anstellen. Meine Fragen werden der Inbegriff der Diskretion sein, und wir werden Antwort erhalten. Ich muss den Polizeichef sprechen!«
Er polterte wieder hinaus und pfiff dabei eine holländische Weise. Er war wirklich der allerseltsamste Mann, dem ich je begegnet war. Und sein Gewicht in frischgeprägten Goldmünzen wert.
Als ich an diesem Abend nach Hause ging, war mir leichter ums Herz. Das Glück hatte sich mir an die Fersen geheftet. Ich war so fröhlich wie schon seit Tagen nicht mehr, es gelüstete mich, ein oder zwei Glas Bier zu trinken, danach noch ein oder zwei Glas Whiskey, und dann ab ins Bett. Die Hoffnung würde die Knoten in meinen Schultern schon lösen.
In der Elizabeth Street fiel gleißendhelles Licht aus der Bäckerei, als ich eintrat. Mrs. Boehm stand am Tisch und starrte auf das Paar Nankinghosen, das Bird getragen hatte. Sie wirkte irgendwie aufgelöst, all ihre Ecken und Kanten waren verwischt. Ihr breiter Mund zuckte, und ihre Hände, die das Stück Kinderkleidung hielten, lagen untätig auf der Holzplatte.
»Das war nicht richtig von Ihnen«, sagte sie mit einer Stimme, die trocken war wie Maisseide, gewichtslos und hohl.
»Was denn? Was ist passiert?«
»Sie hätten sie nicht fortschicken sollen. Nicht in dieses Haus. Und nicht so bald. Es ist wahr, anfangs war ich verärgert, aber ich habe meine Meinung geändert, Mr. Wilde. Sie hätten mit mir darüber reden müssen.«
Plötzlich geriet die Erde ins Wanken, ich wurde von Schwindel und Panik überrollt.
»Dieses Haus?« Mein Gott. Das House of Refuge. »Ich habe Bird nicht fortgeschickt! Wo ist sie?«
Verängstigte blaue Augen flogen zu mir hoch. »Eine Kutsche kam. Zwei Männer, einer davon sehr dunkel und groß. Der andere heller und schmaler, mit einem kleinen Schnurrbart. Sie haben sie mitgenommen. Ich habe mich ihnen in den Weg gestellt, aber sie hatten Papiere dabei, die von Ihnen unterzeichnet waren, Mr. Wilde, und ...«
»Stand der Vorname drauf?«
»Nein. Nur Wilde. Sie sind vor fünf Minuten fort.«
Ich rannte auf die Straße.
Jeder Passant auf der Elizabeth Street schien ein verächtliches Grinsen im Gesicht zu haben, sogar die schläfrigen Schweine schienen mir klarmachen zu wollen, wie sehr ich eine Arbeit vermasselt hatte, von der ich nichts verstand. Zwei Männer: einer sehr dunkel und groß, der andere heller und schmaler, mit Schnurrbart.
Scales, der wahrscheinlich schon lange keinen Vornamen mehr hatte, und Moses Dainty – Vals Handlanger.
Ich schoss wie eine Kanonenkugel zum nächsten Pferd. Esstand vor einem Krämerladen, und es gehörte mir nicht, kein Argument der Welt hätte es zu meinem Eigentum machen können, trotzdem riss ich den Zügel vom Pfosten los, schwang mich in den Sattel, stieß ihm die Fersen in die Seite und ignorierte seine nur allzu verständliche Überraschung.
Du wohnst gleich gegenüber. Den Fall des gestohlenen Pferdes kannst du morgen bearbeiten.
Ich wollte meinen gottverdammten, abgrundschlechten Bruder verfluchen, der sich so dreist in meine Angelegenheiten einmischte, als ich um ein Haar zwei Böhmen ins Jenseits beförderte, die von einer Bierhalle zu Fuß nach Hause unterwegs waren. Aber zu dem Zeitpunkt schien Fluchen schon überflüssig.
Die Fürsorgeanstalt liegt dort, wo sich Fifth Avenue, Vierundzwanzigste Straße und Broadway treffen, so dass respektable Bürger gut vor dem Anblick dieser mildtätigen Einrichtung geschützt sind: mitten auf dem Land, auch wenn seit einiger Zeit dort große Häuser gebaut wurden. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, ob das angebliche Ziel der Entführer nicht vielleicht nur ein Trick war. Es war ein reines Glücksspiel. Aber einen anderen Anhaltspunkt hatte ich nicht. Ich nahm die Zügel fest in den Griff und trieb das bedauernswerte Pferd an.
Ich hing schwarzen Gedanken nach, als ich die Straßen entlangraste und dabei Straßenläuferinnen, Reisenden und Würdenträgern laute Aufschreie entlockte – eine unheimliche, wilde Gestalt in einer schwülheißen Sommernacht, ein Viertel des Gesichts unter einer Maske verborgen. Meine Gedanken gingen in etwa so:
Valentine will dich warnen, dass es ihm ernst ist. Valentine ist ein verabscheuungswürdiger Mensch. Aber Valentine schien sie doch zu mögen! Valentine
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