Der Teufelsfürst
genoss er in der Hitzekammer das Gefühl, jede Pore seines Körpers zu reinigen.
Zwar war ihm das Schlachten in den letzten Wochen erschreckend leicht von der Hand gegangen. Doch manchmal hatte er den Eindruck, der Geruch des Blutes klebte an ihm wie Pech.
Während er sich mit dem Rücken gegen die Fliesen lehnte, bemühte er sich, nicht an Radu zu denken. All die Zeit in Albanien hatte er versucht, sich davon zu überzeugen, dass sein Bruder alt genug war, um die Verantwortung für sich selbst zu tragen. Aber viel zu oft hatte eine Stimme in seinem Verstand ihm zugeflüstert, dass er sich belog. Was auch immer er sich einredete, er fühlte sich schuldig an Radus Situation.
Und was war mit ihrem Vater? Hatte der Befehl des Sultans etwas damit zu tun? Hatte Vlads Vater den Krieg gegen die Ungarn verloren? Oder hatte der Sultan doch endlich beschlossen, Verstärkung zu schicken und auch Vlad gegen Hunyadi ins Feld ziehen zu lassen? Die Ungewissheit über das Schicksal seiner Heimat glich einem Tier mit scharfen Klauen, das sich in sein Herz krallte. Solange er still hielt und nicht daran dachte, war der Schmerz erträglich. Sobald er sich aber bewegte und sich das Gehirn zermarterte, begann das Tier, ihn zu zerfetzen. Er griff sich unbewusst an die Brust, ließ die Hand allerdings sofort wieder sinken und seufzte. Morgen würde die Unsicherheit ein Ende haben. Was dann geschehen würde, lag in Gottes Hand. Trotz der Hitze legte sich eine Gänsehaut über seine Arme. Gott! Er hoffte nur, dass dieser die letzten Monate damit beschäftigt gewesen war, in eine andere Richtung zu blicken. Denn dieses Mal war es ihm nicht gelungen, einen Priester dazu zu bewegen, ihn von seinen Sünden loszusprechen! Er wischte die unangenehmen Gedanken beiseite und rief den Gehilfen herbei. Nachdem dieser ihn erneut abgeseift und mit kaltem Wasser übergossen hatte, ließ er sich mit einem wohlriechenden Öl einreiben und begab sich kurz darauf in sein neues Gemach im Herzen des Palastes. Er eilte an zahlreichen vergoldeten Springbrunnen und kleinen Pavillons vorbei. Schließlich durchquerte er die um ein weiteres Wasserspiel angeordneten Gärten, in denen sich die Pfauen des Sultans tummelten. Ohne Augen für ihre Schönheit zu haben, näherte Vlad sich der bewachten Pforte.
Hinter ihr verbarg sich der Teil des Harems, in dem die ausgewählten männlichen Mitglieder des Hofes wohnten. Sowohl die Gemächer des Prinzen als auch die des Sultans und seiner Mutter trennten diesen Abschnitt des Gebäudes von dem Bereich der Frauen, Töchter und Konkubinen des osmanischen Herrschers.
Nachdem ihn die steife Leibgarde des Sultans hatte passieren lassen, stob er einen Säulengang entlang und erreichte schließlich den Nordflügel. Dort führte eine Treppe hinauf ins Obergeschoss, dessen Räumlichkeiten sternförmig von einer großen Halle abgingen. Ein silberner Kronleuchter warf die Farben der bunten Fliesen und arabesken Teppiche zurück.
Vlad ließ die prunkvolle Halle hinter sich und steuerte auf eine halb offene Galerie zu, deren eine Wand mit blau-goldenen Fliesen geschmückt war. Die gegenüberliegenden Säulen wurden von steinernen Blumen umrankt. Auf einem breiten Sims standen in regelmäßigen Abständen Töpfe mit Blütenpflanzen. Der Duft von Zedernholz und Rosenöl lag in der Luft und von Weitem hörte man das Kichern der Frauen. Vlad verspürte ein nicht unangenehmes Ziehen in der Lendengegend, als er sich vorstellte, wie die Mädchen – vor den Blicken der Männer geschützt – nur leicht bekleidet in den Gärten herumtollten. Eine Gruppe von Hofbeamten, die ihm entgegenkam, lenkte ihn ab. Nachdem er sie hatte passieren lassen, waren es nur noch wenige Schritte bis zu der silberbeschlagenen Kirschholztür seiner Unterkunft. Diese wurde wie von Zauberhand geöffnet, kaum dass er davor zum Stehen gekommen war. Sein neuer Diener, der wie alle Sklaven im inneren Palast taubstumm war, verneigte sich tief vor ihm und ließ ihn ein. Auf einem kleinen Tischchen zu seiner Rechten lockte eine Schale mit frischen Früchten. Daneben stand eine Kanne mit frisch gebrühtem Pfefferminztee, der sein Aroma im Raum verbreitete. Vlad wurde der Mund wässrig. Sobald er sich allerdings der diwanähnlichen Bettstatt zuwandte, waren Hunger und Durst schlagartig vergessen. Denn dort lagen eine saphirblaue Entari sowie ein schneeweißer Kaftan. Borten und Kragen des Obergewands waren mit Goldfäden bestickt. Eine goldene Schärpe und goldbestickte
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