Der Teufelsfürst
die Verwaltungsgebäude der Diwanangestellten in den Schatten des Beratungssaals, in dem sich am heutigen Tag die hochrangigsten Offiziere und Paschas mit dem Sultan trafen.
Sancakbeğis – Statthalter –, Beğlerbeğis – Landpfleger –, Ağas und der Großwesir waren allesamt dem Ruf ihres Herrn gefolgt. Und Vlad meinte sogar, den Kommandanten der Flotte erkannt zu haben. Die Geladenen hatten ihre Reittiere im äußersten Hof zurückgelassen, da es nur dem Sultan selbst und seinen Söhnen erlaubt war, hoch zu Ross den inneren Bereich des Palastes zu durchqueren. Die nahe gelegenen Küchen verströmten bereits die verführerischen Düfte des Festmahles, welches zweifelsohne im Anschluss an den Diwan abgehalten werden würde. Und nicht nur Vlad erlag dem betörenden Aroma von gebratenem Fleisch, frisch gebackenen Fladen und allerlei Süßspeisen. Um sich von dem nagenden Hunger abzulenken, beobachtete er die Gazellen, welche in einem eingezäunten Garten unter Zypressen und Olivenbäumen grasten, und ließ die Gedanken schweifen.
Was er seit dem hässlichen Vorfall mit der Gurke schon geahnt hatte, war durch das unvermutet einberufene Treffen bestätigt worden: Irgendetwas musste geschehen sein, was nicht nur Prinz Mehmet, sondern auch seinen Vater in Unruhe versetzte. Zwar hatte der Prinz nach einem weiteren lautstarken Streit mit dem Großwesir den Palast Ende April wieder verlassen. Doch die Lage schien seine erneute Anwesenheit nötig gemacht zu haben. »Man sagt, die ungarischen Spione des Sultans hätten herausgefunden, dass Johann Hunyadi zum Kampf rüstet«, hatte ihn Stefan, eine der vielen serbischen Geiseln, informiert. »Und sein Heer soll gewaltig sein.« Wenn das stimmte, dachte Vlad, dann war das Fürstentum seines Vaters, Vlad Dracul, gewiss auch in heller Aufregung. Schließlich hatte dieser den ungarischen Feldherrn mehr als einmal verstimmt und nach der verlorenen Schlacht von Warna vor fast drei Jahren sogar gefangen gesetzt, um den Osmanen seinen guten Willen zu beweisen. Das Geräusch einer sich öffnenden Pforte ließ ihn den Säulengang entlangschielen und Haltung annehmen, da in diesem Moment die Leibgarde des Sultans ins Freie trat. Umgeben von seinen engsten Vertrauten, folgte der Großherr den Soldaten und ließ sich von zwei Pagen und seinem Steigbügelhalter in den Sattel eines Vollblutes helfen. Das juwelenbesetzte Zaumzeug funkelte, als er die Zügel aufnahm und dem Tier die Fersen in die Flanken drückte. Nach einem kurzen Blick auf das Minarett zu seiner Linken wandte er sich den Hauptgebäuden des Palastes zu und trabte allen voran an Springbrunnen und kleinen Lauben vorbei auf einen üppig umrankten Durchgang zu. Kurz darauf setzten sich auch die anderen Männer in Bewegung und folgten ihrem Herrn in gebührendem Abstand.
Einen Moment lang hatte es den Anschein, als wiege sich ein riesiges Meer aus Blumen im Wind. Die kunterbunten Gewänder der Wesire und Kommandanten verschmolzen mit der Blütenpracht der Gärten zu einem farbenfrohen, stetig wachsenden Teppich, bis er schließlich in dem nächsten Hof verschwunden war.
»Keiner rührt sich!«, dröhnte der Kapıcıbaşı – der oberste Torhüter – und klimperte mit den Glöckchen an seinem Kommandostab. Erst nach einer halben Stunde, als sich bereits die ersten Hofdamen aus dem Innersten des Harems ins Freie wagten, erlaubte er den Männern der Ehrengarde, sich zu regen. Genau wie Vlad steuerten die meisten der jungen Sipahi daraufhin auf die Küchen zu, die für die Verpflegung der Truppen sorgten, um wie die Wölfe über die Suppenkessel herzufallen. Obwohl Vlads Magen sich anfühlte, als habe ihn jemand ausgehöhlt, ließ er sich Zeit, da er keinen Wert darauf legte, sich um das Essen zu schlagen. Es würde sicher genug für alle geben, das gab es immer. Während er sich den dicht nebeneinander errichteten Flachbauten näherte, erhaschte er einen Blick auf die Sultanin Mara, eine der Ehefrauen des osmanischen Herrschers. Begleitet von schwarzen Eunuchen, tauchte diese inmitten ihrer Hofdamen aus dem Harem auf und stolzierte hocherhobenen Hauptes über den Platz. Entgegen aller Sittlichkeit war sie mit einem schreiend roten, eng geschnittenen Kaftan bekleidet, der mehr erahnen ließ, als es sich außerhalb des Harems ziemte. Ihr dickes, schwarzes Haar war von einem durchsichtigen Schleier bedeckt, durch den Smaragde und Rubine hindurchblitzten. Als sie den Kopf wandte und in Vlads Richtung sah, schlug er hastig die
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