Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)
Belohnungen einfordere, und zwar für die Morde an denen, die seinen Agenten enttarnen wollten, und für die Auslieferung von Cora Michener.«
KAPITEL ACHTZEHN
Meng hatte Tränen in den Augen. »Du Narr«, flüsterte sie. »Du verdammter Narr. Du kannst Liang nicht besiegen.«
»Ich werde ihn nicht besiegen, sondern benutzen. Ich werde nicht zulassen, dass sie alle umsonst gestorben sind. Ich werde nicht zulassen, dass das Gift sich bis über die Grenze verbreitet. Das muss ein Ende haben.«
»Er wird dich töten, falls er kann.«
»Vermutlich nicht. Es wissen zu viele Leute von mir. Aber er wird mich verschwinden lassen müssen. Er benutzt zu diesem Zweck ein Gefängnis in der Wüste.«
Meng schwieg lange. »Warum musst ausgerechnet du es sein?«, fragte sie schließlich.
Er ignorierte die Frage. »Wird er andere Kriecher mitbringen, wenn er kommt?«
Meng schaute auf ihren Schreibtisch. »Er hat hier keine offizielle Funktion mehr. Die Leute, die man ihm zugeteilt hatte, dürften neue Aufgaben erhalten haben.«
»Bring die tibetischen Polizisten mit. Sie sind das Publikum. Wir ziehen das am Marktplatz durch, bei dem alten Stall.«
»Das Publikum?«
»Für mein Geständnis. Liang hat verkündet, ich hätte Jamyang getötet. Die Hälfte der Leute hier hält mich für irgendeinen Geheimagenten. Liang hat höchstpersönlich bestätigt, dass ich einer der verhassten Knochenfänger bin. Er hat mirgezeigt, dass er Kopfgelder verteilt. Nun verlange ich die volle Summe. Ich habe eine Nonne getötet, die sich gegen den Staat verschworen hatte, und ich will meine Belohnung. Zum Beweis werde ich ihnen die Pistole geben, mit der Jamyang sich erschossen hat. Ich werde behaupten, ich hätte sie alle für das Mutterland getötet. Liang weiß, dass Norbu den Sohn von Lung ermordet hat, weil dieser ein Risiko für seinen geheimen Auftrag darstellte; der Junge hatte gesehen, dass Norbu sich heimlich mit der Öffentlichen Sicherheit traf. Ein Knochenfänger verdankt der Regierung seinen Lebensunterhalt und ist ihr dafür etwas schuldig. Er hält die Augen auf, achtet auf mögliche Schwierigkeiten. Ich musste die anderen töten, denn sie wollten Norbu als einen Agenten der Öffentlichen Sicherheit enttarnen und verhindern, dass er in die Exilregierung eingeschleust werden kann. Der Major wird mir ins Wort fallen, damit ich nicht zu viel ausplaudere. Doch die Polizisten werden genug gehört haben. Gib ihnen danach keinen Auftrag. Lass ihnen vielmehr reichlich Zeit, das Kloster noch vor Ablauf des Tages zu warnen. Rechtzeitig genug, dass die purbas den Abt gar nicht erst in den Laster nach Nepal stecken.«
»Liang kann dich nicht dafür belangen, dass du die Öffentliche Sicherheit geschützt hast.«
»Er wird mich nicht wegen der Morde einsperren, sondern weil ich seine Geheimnisse durchschaut habe.«
»Aber Oberst Tan …«
»Kann nichts unternehmen, falls ich als Gefahr für die nationale Sicherheit eingestuft werde. Er wird machtlos sein.«
»Das ist doch Wahnsinn, Shan. Es wird nicht funktionieren.«
»Es ist das Einzige, das jetzt noch funktionieren kann . Ich kann nicht zu den Mönchen oder irgendeinem anderen Tibeter gehen. Nach Liangs Auftritt beim Teehaus würden die mir niemals glauben.«
»Cora Michener ist dadurch auch noch nicht in Sicherheit.«
»Ich werde dafür sorgen, dass das Mädchen zu den purbas gelangt. Die können sie anstelle von Norbu mit diesem Lastwagen wegschicken.«
Aus der dunklen Arrestzelle ertönte ein Geräusch. Shan fuhr herum. Sansan trat vor und packte mit beiden Händen das Gitter.
Er erschrak. Die Welt um ihn herum stürzte tatsächlich ein. Er musste sich opfern, um Norbu aufzuhalten, aber damit konnte er auch den Exilanten und den dropkas nicht mehr helfen. »Meng, du musst ihr eine Chance geben. Du kannst nicht einfach …«
»Shan!«, rief Sansan und klang dabei merkwürdig erbost. »Sie müssen ihr eine Chance geben.« Und mit diesen Worten stieß sie die Zellentür auf. »Leutnant Meng hilft mir.«
»Ich habe sie gewarnt, dass ein Team aus der Gebietszentrale sie verhaften könnte, falls sie zu Hause bleibt«, erklärte Meng. »Der Diebstahl von Staatsgeheimnissen ist ein schwerwiegender Verdacht. Vorläufig ist es hier für sie sicherer.«
Sansan lächelte Shan bekümmert zu und verließ die Zelle. Sie ging zu einem Beistelltisch, auf dem eine Thermoskanne stand, und schenkte ihnen allen Tee ein.
»Der Diebstahl von Staatsgeheimnissen?«, fragte Shan. »Ich habe Sie
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