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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Statue hinterher mit einem weißen Tuch verhüllt. Im Mondschein ist er jetzt das Gespenst von Baiyun.« Er prostete Shan mit seinem Glas Wein zu. »Am Ende werden sie ihn ersetzen. Aber dank Ihnen wird das Ding für uns immer nur ein Gespenst sein. Ein nasenloses Gespenst.« Er musste schallend lachen. »Wir danken Ihnen, dass Sie mutig genug waren, das zu tun, wovon wir alle geträumt haben, seit diese verdammte Statue aufgestellt wurde.«
    Shan nahm wortlos ein Glas Wein entgegen und setzte sich neben den Professor. »Sie haben ein Dilemma erwähnt.«
    »Unsere kleine Gesellschaft würde die alten Bräuche gern besser verstehen. Ich weiß, dass Sie sich mit Traditionen gut auskennen.« Yuan deutete auf ein langes ausgerolltes Stück Pergament, dessen Enden mit Büchern beschwert waren. Die ältere Frau malte mit Wasserfarben darauf. Die Motive reichten von Wolkenkratzern und städtischen Häuserblocks im Schatten von Bäumen über Eisenbahnen und Berge bis hin zu Yaks und Eseln. Mit jäher Begeisterung wurde ihm klar, dass sie die Geschichte der Verbannten aus Harbin im Stil der alten Bildrollen festhielt, die während der Zeit der chinesischen Kaiser zur Aufzeichnung bestimmter Ereignisse verwendet worden waren. Shan kannte diese Rolle bereits. Yuan hattesie hinter seinem Rücken vor den Kriechern versteckt. »Wir sind uns in einem Punkt unschlüssig, der das Hofzeremoniell betrifft«, erklärte Yuan.
    Shan sah sich verunsichert am Tisch um. Alle Anwesenden waren älter als er, manche um Jahrzehnte. Er rief sich ins Gedächtnis, dass die Emigranten, die sich hier hatten ansiedeln müssen, ehemalige Professoren waren. »Was für eine Gesellschaft?«, fragte er.
    »Wir nennen uns die Zinnoberrote Gesellschaft, nach der Farbe der Tinte, die für die alten Kaiserhöfe reserviert war. Und wir beschäftigen uns mit Brauchtumspflege. Professor Wu« – er zeigte auf den Kahlköpfigen – »druckt Gedichte der Sung-Dynastie und hinterlässt sie vor den Türen anderer Leute. Professorin Chou« – er wies auf die Frau – »hat die Produktion eines alten Theaterstückes aus der Ming-Dynastie organisiert. Falls es hier alte Gräber gäbe, würden wir sie fegen. Wir versuchen uns an Dinge aus dem alten China zu erinnern und sie für die Nachwelt festzuhalten. Es sind so wenige gute Geschichtsbücher übrig geblieben, und es ist Jahrzehnte her, dass jemand ein aufrichtiges Werk über die Geschichte Chinas geschrieben hat. In der Kaiserzeit hat es wunderbare Dinge gegeben, und die dürfen nicht in Vergessenheit geraten.«
    »Die wahrhaftigste Geschichte ist diejenige, die auf tausend Geschichten der einfachen Menschen aufbaut«, warf Professor Wu ein.
    Aus der Küche erklang leises Husten. Sansan stand dort im Schatten. Shan nickte Wu zögernd zu. »In der Volksrepublik kann das gefährliches Terrain bedeuten.«
    Die Augen des alten Professors funkelten. »Wissen Sie denn nicht, dass man uns hergeschafft hat, weil wir alle gefährliche Leute sind? Was wollen die schon groß mit uns machen? Uns nach Tibet verbannen?« Ein weiteres krächzendes Lachen entrang sich seiner Kehle.
    Trotz seiner Schmerzen musste Shan unwillkürlich grinsen.
    Die Frau am Tisch hielt ein großes Blatt Papier mit kleinen Skizzen hoch. Die ersten waren ein Vogel mit drei Beinen, ein Huhn in einem Kreis und ein Drache.
    Shan neigte den Kopf. »Symbole des Kaisers.«
    Professorin Chous Gesicht erstrahlte zufrieden. »Yuan hat ja gesagt, dass Sie sich mit Geschichte auskennen! Wir arbeiten gemeinsam an dem Gemälde eines kaiserlichen Gewands. Und dann wollen wir eine exakte Replik anfertigen, falls wir die Seide auftreiben können. Aber wir sind uns nicht einig.« Sie zeigte auf zwei weitere Symbole; das eine bestand aus drei mit Linien verbundenen Punkten, das andere aus sieben. »Professor Yuan sagt, es müssen drei sein, und ich plädiere für sieben.«
    Etwas in Shan erfreute sich immens an der absurden Situation, dass sie hier in einer entlegenen Exilgemeinde in Tibet saßen und kaiserliche Bräuche erörterten. Er überlegte, bog in einen verstaubten Korridor seiner Erinnerung ein. »Professor Yuan stammt aus der Mandschurei, der Heimat der Qing-Dynastie«, erklärte er ruhig. »Die Ming-Kaiser haben mit vollen sieben Sternen den Großen Bären abgebildet, wenngleich das Sternbild bei ihnen noch der Scheffel hieß. Doch als die Qing-Kaiser aus dem Norden eintrafen, haben sie das Symbol auf drei Sterne verkürzt.«
    Er sah Yuan an und neigte

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