Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
wartet, zum Beispiel in Form eines »großen Traumes«, der ihm über seinen individuellen Auftrag in diesem Leben erzählt. Heute erfreuen sich so genannte Vision-Quest-Seminare zunehmender Beliebtheit. Auch darin macht sich der Wassermann-Zeitgeist bemerkbar.
Yalom, ein alter jüdischer Gruppentherapeut, hat gesagt: »Jeder von uns fährt zur Zeit mit seinem Schiff auf dem weiten Meer, keiner weiß, wohin die Reise geht, aber es ist einfach tröstlich, die Schiffe der anderen Menschen zu sehen, die auch nicht wissen, wohin die Reise geht.« Von Yalom stammt auch eine Geschichte, die für mein Gefühl den Wassermann-Himmel und die Wassermann-Hölle sehr gut voneinander unterscheidet. Da kommt ein Mensch in die Hölle und sieht dort eine Menge Leute um einen riesigen Topf dampfender Suppe versammelt. Aber alle haben einen überlangen Löffel an den Arm geschnallt, sodass sie den Löffel nicht zum Mund führen können, und so verhungern sie neben dem wunderbaren Topf Suppe. Dann kommt er in den Himmel, und dort sieht er genau das gleiche Bild, aber die Menschen sehen alle zufrieden und wohlgenährt aus. Was ist das Geheimnis? Die Menschen hier haben gelernt, sich gegenseitig zu füttern.
Der Unterschenkel
Die Körperentsprechung von Wassermann ist der Unterschenkel, und zwar in der Bedeutung von Tanzen und Springen. Mit dem Unterschenkel löst man sich von der Erde, wenn man tanzt und springt, aber im Unterschenkel kann auch Trotz stecken, Verweigerung, etwa wenn kleine Kinder aufstampfen, um zu sagen: »Das will ich nicht«. Wenn ein Wassermann nicht trotzig sein durfte, sich nicht gegen die Eltern stellen durfte, kann es sein, dass sich hier viel anstaut, dass die »eisernen Waden« entstehen. Zu diesem Stau kann es kommen, wenn man sich immer wieder in Lebenssituationen wiederfindet, wo man weglaufen möchte und nicht darf.
Mond in Wassermann
Dem Mutterbild bei Wassermann-Mond entspricht die Hetäre, die Gefährtin. Die Hetäre ist der Gegenpol zur maternalen Frau, was nicht heißt, dass sie nicht eine wunderbare Mutter sein kann. Sie ist bloß nicht angetreten, die sorgende Erdmutter zu sein. Für sie heißt Mutterliebe, dem Kind Wind unter die Flügel zu blasen, das Kind bei seiner Individuation zu unterstützen, ihm zu gestatten, seinen eigenen Weg zu gehen, wie auch immer der aussehen mag. Was ist das denn für ein seltsames Wesen, das da in meinen Bauch geflogen ist? Es liegt nicht in der Macht der Mutter, das zu beurteilen, sondern das Kind muss selbst herausfinden, was es bedeutet, nach dem inneren Gesetz zu leben. Die Weisheit dieser Mutterliebe ist sehr gut ausgedrückt in dem Satz von Khalil Gibran: »Deine Kinder sind nicht deine Kinder, sie sind Ausdruck der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst.« So gesehen sind Kinder Gäste im Bauch der Mutter. Das Beste, was eine Mutter tun kann, ist, diese Kinder, so lange sie zu Gast sind, gut zu bewirten und sie wieder zu verabschieden, wenn sie weiterreisen wollen. Hier ist Liebe untrennbar von Loslassen; sie ist ein Kind der Freiheit wie bei allen Luftzeichen, aber hier vielleicht im stärksten Ausmaß.
Ein Kind mit Wassermann-Mond wird der Mutter für immer dankbar sein, wenn sie es loslässt. Wenn man bei Therapiegruppen zum Beispiel durch Atemübungen Menschen in die Wiege zurückführt und sie sich noch einmal in sehr frühen Lebenssituationen erleben, dann taucht bei Wassermann-Monden sehr häufig der Satz auf: »Hau ab, lass mich los, ich krieg keine Luft«, vor allem dann, wenn die Mutter als überfürsorglich, überbehütend erlebt wurde. Ich erinnere mich an eine Frau mit Wassermann-Mond, die in so einer Übung erlebte, dass in ihrem Brustraum ein Vogel mit eingefrorenen Flügeln wohnte. Sie erzählte, dass sie in einem sehr engen bürgerlichen Elternhaus aufgewachsen war, in dem sie als kleines Mädchen zwar gut versorgt war, aber als sie später ein Straßenkind sein wollte, ein Zigeunermädchen, verhinderten die Eltern das mit Einwänden wie: Das ist nicht der richtige Umgang für dich, tu dies nicht, tu das nicht, das ist alles viel zu gefährlich. In dieser Zeit froren die Flügel ihres inneren Vogels ein, und das äußerte sich unter anderem in dem Gefühl, dass ihr Brustraum immer enger wurde, und in asthmatischen Beschwerden. Wassermann-Energie wohnt auf der Körperebene nicht nur in den Unterschenkeln, sondern auch im Brustraum. Sie erfuhr als Botschaft von innen, dass es für sie lebenswichtig war, das Eis in den Flügeln des Vogels
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