Der Tod des Bunny Munro
selbst den Arsch abwischen«, erwidert Bunny, macht auf dem Absatz kehrt und tupft sich mit dem Jackettärmel den mittlerweile kalten Schweiß vom Gesicht.
Bunny Junior versucht gerade vergeblich, eine Möwe mit Wasser aus einem Trinkbrunnen zu bespritzen. Als er seinen Vater auf sich zutaumeln sieht, hört er auf. Bunny Junior schaut zu Mrs. Pennington hinüber, die als elendes schwarzes Häufchen über ihren Mann gebeugt steht, und winkt ihr zaghaft zu.
»Du vergeudest deine Zeit«, sagt Bunny, steckt sich eine Zigarette in den Mund und klopft wütend seine Taschen nach dem Zippo ab.
»Was ist denn mit Großmutter los?«
»Willst du die Wahrheit wissen?«
»Okay, Dad«, erwidert der Kleine. Er folgt seinem Vater über den Kiesweg zum Punto.
»Sie ist eine verfickte Schlampe«, antwortet Bunny und zündet sich die Zigarette an.
Bunny Junior wünscht sich, er hätte so eine Sonnenbrille wie sein Vater, eine schwarze Rundumverglasung, die ihn »insektenartig« aussehen lässt. Wegen seiner verkrusteten Lider muss er öfter blinzeln als andere Leute, und ihm geht wieder einmal durch den Kopf, dass er seinen Vater unbedingt daran erinnern sollte, ihm diese speziellen Augentropfen zu besorgen, bevor er ganz blind wird oder so. Am Hals seines Vaters pulsiert ein dunkelroter Streifen, er zieht hitzig an der Zigarette und stößt den Rauch schnaubend durch die Nasenlöcher aus. Er sieht aus wie ein Zeichentrickbulle aus Looney Tunes oder wie Mexican Toro, denkt der Junge und begreift, dass das nicht der richtige Moment ist, um seinem Vater mit so was wie Augentropfen zu kommen.
Bunny lässt sich auf den Fahrersitz des Punto fallen und knallt die Tür mit einer solchen Endgültigkeit zu, dass es fast wie ein schlechtes Omen wirkt – als nahte das Ende der Welt. Er lässt den Punto an und schert blind und lebensmüde in den Verkehr ein, und der sechsachsige Betonmischer, der mit einem lang gezogenen Hupen auf ihn zurast, könnte genau das Ereignis sein, das der Mühsal seines irdischen Daseins ein Ende setzt und ihn ins Jenseits befördert – aber er ist es nicht. Der Betonmischer, ochsenblutrot und mit der fetten Aufschrift DUDMAN über dem Führerhaus, rauscht vorbei und fährt weiter zum Depot in Fishersgate, und aus dem Fenster hängt ein brauner, tätowierter Arm. Bunny verzieht keine Miene.
Stattdessen haut er auf das Radio, und ein Bombast von Klassik schwappt heraus; er verpasst diesem zickigen Radio noch eine und erwischt diesmal einen privaten Sender, und wie durch ein Wunder oder eine göttliche Fügung dröhnt jetzt mit all seinem mitreißenden Optimismus dieser Song aus den Boxen, die Hymne sexueller Emanzipation und goldener Hotpants – und Bunny spürt, wie die ganze bedrückende Wut zischend aus ihm entweicht wie aus einem undichten Ventil, die siedende Hitze in seinem Gesicht verfliegt, und Bunny dreht sich zu seinem Sohn um, schlägt sich mit den Fingerknöcheln gegen den Kopf und sagt: »Wer auch immer behauptet hat, Gott ist tot, hat einen Haufen Scheiße in der Birne!«
»Einen riesigen Kuhfladen!«, sagt der Junge grinsend und reibt sich die Augen.
»Zehn Tonnen dampfenden Mist!«, sagt Bunny. »Ich meine, was für ein geiler Song!«
»Einen Rieseneimer Gülle!«, sagt der Junge.
Bunny rutscht ein Stück auf dem Sitz vor, lässt die Hüften zu dem freudigen Technobeat vor und zurück zucken und spürt, wie ihm die Musik direkt in den Steiß geht und von dort aus eine atompilzartige Wärme ausstrahlt, und er fühlt sich, als hätte er sich eingepinkelt oder etwas geboren oder in seine Unterhose abgespritzt oder so.
»Oh Mann«, stößt Bunny hervor und drückt den Handballen in den Schritt; die Bilder des Tages von mordlüsternen Großmüttern, verächtlichen Krüppeln, angeschwuchtelten Pfarrern und schnatternden, höhnischen Schlampen verflüchtigen sich in den Äther, und Bunny sagt: »Es ist echt ein Wunder, dass dieser Song nicht verboten ist!«
9
Bunny öffnet die Wohnungstür. Er hat sein Jackett ausgezogen und trägt jetzt ein kornblumenblaues Hemd, das auf den ersten Blick aussieht wie gepunktet, aber bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass es mit antiken römischen Bordellmünzen mit Miniaturdarstellungen kopulierender Paare darauf bedruckt ist. Wie durch ein Wunder hat Libby dieses Kleidungsstück verschont, als sie beschloss, Bunnys gesamter Garderobe mit dem Küchenmesser und einem Fläschchen Tusche ein neues Design zu verpassen. Dem »Griechenhemd«, einem Geschenk
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