Der Tod des Bunny Munro
drauf, welcher Zulukrieger läuft schon mit einer Krawatte rum!«
Der Punto fährt jetzt auf der Küstenstraße nach Westen, und Bunny Junior beobachtet, wie die Sonne am Horizont untergeht und das Meer erst in Goldgelb, dann in Goldrosa und dann in ein ätherisches, trauerndes Blau taucht.
»Willst du nicht zurückfahren und sie holen?«
»Nein, verdammte Scheiße, ich hab einen ganzen Koffer voll Krawatten!«
»Aber diese Krawatte hat dir Mum geschenkt«, entgegnet Bunny Junior.
Bunny kratzt sich am Kopf und sieht den Jungen an.
»Pass auf, mein Sohn, jetzt mal Spaß beiseite. Jetzt geht’s ans Eingemachte. Das hier ist einer der Momente im Leben, in denen du mir gut zuhören und trotz deines zarten Alters versuchen musst, mich zu verstehen. Es gibt eine Verkäuferregel, von der ich dir noch nicht erzählt habe. Das ist die alles entscheidende Regel. Noch wichtiger als die Geduldsregel. Jeder Verkäufer, der was auf dem Kasten hat, wird dir dasselbe sagen. Willst du wissen, was?«
»Okay, Dad.«
»Wenn du mal aufhörst, mit den Füßen rumzuzappeln, sag ich`s dir.«
»Okay, Dad.«
»Geh nie zurück. Kapiert? Geh nie, nie, niemals zurück. Soll ich dir auch sagen, warum?«
»Okay«, antwortet Bunny Junior, während überall entlang der Küstenstraße die Laternen angehen, und dieser Anblick ist so magisch und erhaben, dass er dem Jungen Ehrfurcht einflößt.
Bunny sieht ihn ernst an und sagt: »Sie könnten die Bestellung widerrufen.«
»Echt?«, fragt der Junge.
»Ja, glaub mir, das kommt vor. Klar?«
»Klar, Dad«, und sie lächeln einander an.
Bunny schaltet das Licht ein, und sie fahren an einer Plakatwand vorbei – Kate Moss oben ohne in einer Calvin-Klein-Jeans –, und Bunny fällt ein, worüber sich Poodle, Geoffrey und er einmal im »The Wick« unterhalten hatten. Poodle, der sich einen Tequila nach dem anderen kippte, in Zitronenscheiben biss und die Achselhöhle des Mädchens neben sich ausleckte, sagte: »Also, vorausgesetzt, die Arschbacken gehören dazu, bin ich definitiv ein Beintyp.« Geoffrey, der dasaß wie Tutanchamun oder Buddha oder so, nahm seine eigenen üppigen Brüste in die hohlen Hände und meinte: »Tittentyp, keine Frage.« Dann sahen sie Bunny an, der so tat, als müsste er nachdenken, dabei brauchte er das nicht. »Muschityp«, sagte Bunny, und seine beiden Kumpels verstummten und nickten in stiller Eintracht. Bunny fährt total auf Kate Moss ab, findet sie cool, und er zieht ihr die Calvin-Klein-Jeans aus, hämmert auf die Hupe und denkt: »Hey Mann, ich bin wieder da!«
»Ich weiß, wo sie die Krawatte gekauft hat, wenn du eine neue willst«, sagt Bunny Junior.
Bunny schlägt die Hände auf das Lenkrad, sieht sich um und sagt: »Mach mal die Augen zu. Los, Augen zu, und erst wieder aufmachen, wenn ich es dir sage.«
Der Kleine legt die Hände in den Schoß und schließt die Augen.
Der Punto fährt eine scharfe Kurve, biegt bei einem McDonald’s ein und kommt mit quietschenden Reifen zum Stehen.
»Jetzt mach die Augen auf«, sagt Bunny, und der Junge bemerkt den bebenden Wahnsinn in der Stimme seines Vaters. Das riesige McDonald’s-Leuchtschild taucht Bunny Juniors Gesicht in Gold, und Bunny sieht, dass sich in jedem Auge seines Sohnes ein kleines ›M‹ spiegelt. Er wirft die Tür auf, schwingt sich aus dem Punto und macht einen großen Schritt in das Licht des frühen Abends.
»Na, liebst du deinen Dad oder liebst du deinen Dad?«, grölt er.
17
Bunny sitzt mit einem Hochspannungsständer bei McDonald’s, weil die Kassiererin unter ihrer rotgelben Uniform praktisch nackt ist. Auf ihrem Namensschild steht »Emily«, und sie sieht aus ihren großen, leeren Augen andauernd zu Bunny herüber und zappelt die ganze Zeit nervös herum. Sie hat einen schwarzen, toupierten Beehive mit einer Menge Haarspray darin, eine fettige Stirn, auf der etwa ein Dutzend entzündeter Pickel eine Polonaise tanzen, und eine Vagina. Bunny findet, sie ist eigentlich wie Kate Moss, nur kleiner, dicker und hässlicher. Er beißt herzhaft in seinen Big Mac und sagt zu Bunny Junior: »Boah, ich liebe McDonald’s.«
Im Grunde weiß er so genau, als wäre es ihm in die Knochen geritzt, dass Emily ihn ohne nennenswerten Widerstand ranlassen würde, aber ihm ist leider auch klar, dass es ein Problem mit der Zeit und dem Ort des Geschehens gibt (obwohl es nicht das erste Mal wäre, dass er ihn einer Kellnerin auf dem Damenklo reinsteckt) und dass ihm sein neunjähriger Sohn
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