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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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gegenübersitzt, der seine Flip-Flops gegen die Fußsohlen klatschen lässt und mit einem schiefen Lächeln auf dem Gesicht mit einer Darth-Vader-Plastikfigur spielt, die es gratis zu seinem Happy Meal dazugab.
    »Ich auch«, erwidert Bunny Junior.
    Bunny beißt noch einmal in seinen Big Mac und weiß, was jeder weiß, der ein bisschen Ahnung von so was hat – dass der Biss in einen Big Mac mit dem labbrigen Brötchen, dem schwammigen Fleisch, dem Käse, dem schleimigen Gürkchen und natürlich mit der salzigen Spezialsoße dem Biss in eine Muschi ungefähr so nahekommt wie, na ja, eben der Biss in eine Muschi. Bunny hatte diese Erkenntnis Poodle mal beim Mittagessen im »The Wick« mitgeteilt, und Poodle als selbst erklärter Sexperte und alter Streithammel hatte dagegengehalten, ein Thunfisch-Carpaccio käme einer Muschi um einiges näher als ein Big Mac, und dieser Streit tobte noch den ganzen Nachmittag und wurde mit jedem Bier feindseliger. Am Ende entschied Geoffrey mit seiner fast gottähnlichen Weisheit, dass ein Big Mac wie die Muschi einer Dicken ist und ein Thunfisch-Carpaccio wie die einer Dünnen, und dabei beließen sie es dann. Wie auch immer. Bunny wischt mit dem Handrücken einen Tropfen Spezialsoße ab, der ihm das Kinn hinunterläuft. Er leckt sich die Lippen, und Emily sieht wieder zu Bunny rüber und kratzt an den Pickeln. Bunny sieht, wie ihre Nippel unter der Uniform steif werden, und das hat eine so gewaltige Wirkung auf ihn, dass er kaum mitkriegt, dass sein Sohn ihn etwas fragt.
    »Hast du was, Dad?«
    Bunny überlegt gerade, dass die Kassiererin Emily vielleicht zehn Minuten Zigarettenpause machen und runter zur Toilette gehen könnte, dann würde er Bunny Boy noch eine Cola oder Sprite oder so kaufen, und dann – na ja, wer weiß? –, wer nicht wagt, der nicht gewinnt, heißt es ja unter Verkäufern. Bunny gibt Emily heimliche Zeichen, deutet mit dem Wangenknochen unauffällig in Richtung Kundentoilette und rollt mit den Augäpfeln, und er hört das besorgte Stimmchen seines Sohnes fragen: »Dad?«
    Er hofft, dass ihm der Kleine die Nummer nicht versaut, und zischt ihm aus dem Mundwinkel zu: »Cool bleiben, Bunny Boy, ganz cool bleiben.« Dann fragt er mit der Stimme eines Replikants oder so, den Blick immer noch auf die Kellnerin geheftet: »Willst du noch irgendwas, eine Cola oder eine Sprite vielleicht?«
    Bunny Junior sagt »Hm«, und dann kommt der Restaurantleiter, ein Scheißteenager mit Zahnspange und einem Namensschild, auf dem »Ashley« steht, zu ihnen an den Tisch und bittet Bunny zu gehen. Ashleys Gesicht hat einen grünlichen Ton angenommen und ist übersät mit Mitessern, so groß wie Nonpareille. Seine Firmenkrawatte hat Fettflecken.
    »Ich komme oft hierher. Ich bin ein treuer Kunde«, sagt Bunny.
    »Ah … ja … das hab ich schon gemerkt«, erwidert der Restaurantchef Ashley.
    Draußen, unter den goldenen Bögen, öffnet Bunny die Tür des Punto und lässt sich auf den Fahrersitz plumpsen. Der Junge steigt ebenfalls ein, und Bunny sagt: »Boah, ich hasse McDonald’s.«
    Bunny Junior würde seinen Vater gern fragen, warum sie so überstürzt aufbrechen mussten, aber tief in den unterirdischen Höhlen seines Geistes regt sich schon die Antwort, wie eine furchtbare Bestie im Winterschlaf.
    »Was machen wir denn jetzt, Dad?«, flüstert der Junge.
    Bunny dreht den Zündschlüssel um, und nach ein paar Zicken springt der Punto zögerlich an. Bunny fährt vom McDonald’s-Parkplatz und fädelt sich in den abendlichen Verkehr auf der Küstenstraße ein, zwischen all die geduckten Autos.
    »Wir machen, dass wir hier wegkommen, und zwar so weit wie möglich«, antwortet er.
    Der Junge gähnt herzhaft und schaudert.
    »Fahren wir jetzt nach Hause, Dad?«
    »Scheiße, nein!«, brüllt Bunny und sieht in den Rückspiegel. »Wir sind on the road!«
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Du, ich und Darth Vader, wir nehmen uns ein Hotelzimmer!«
    Bunny sieht noch einmal in den Rückspiegel – er hält Ausschau nach den Bullen, nach zuckendem Blaulicht, heulenden Sirenen –, aber da ist nur der schlafwandlerisch dahinkriechende Abendverkehr. Trotzdem fährt er von der Küstenstraße ab und biegt in eine kleine Seitenstraße ein, man weiß ja nie. Dass sie ihn an den Arsch kriegen, weil er gegen die Auflagen seiner Verwarnung wegen antisozialen Verhaltens verstoßen hat, das hätte ihm jetzt gerade noch gefehlt. Das wäre echt das Letzte. Bunny sieht seinen Sohn an, der aus irgendeinem

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