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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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zum Teufel ist denn mit dir los?«
    Bunny, der sich vergeblich aufzurappeln versucht und auf Details gerade überhaupt nicht achtet, glaubt, der Mann hätte einfach nur »Zum Teufel mit dir« gesagt, und bereut noch im selben Moment, mit »Und zum Teufel mit dir!« zu antworten.
    Der Mann gähnt und kratzt sich am Bauch, dann geht er im Flur vier Schritte zurück, nimmt Anlauf und verpasst Bunny einen so saftigen Tritt in die Rippen, dass er durch die Luft wirbelt und mit einem Keuchen auf dem Rücken landet. Bunny legt einen Arm über den Kopf, um sich vor dem nächsten Tritt zu schützen.
    »Bitte nicht«, sagt er leise.
    Aber der Tritt bleibt aus, und als Bunny den Arm vom Gesicht nimmt, sieht er gerade noch, wie die Tür von einer eitrig gelben Zehe zugestoßen wird.
    Zurück im Punto öffnet Bunny seine Hose und beginnt, wahrhaft episch zu wichsen – es dauert und dauert –, und als er endlich kommt, legt er den Kopf in den Nacken, reißt den Mund auf, so weit er kann, und atmet mit einem elefantenartigen Gebrüll, das durch die regnerische Nacht und die ganze Wellborne-Siedlung hallt, die letzten Reste seines Verstands aus. Für einen kurzen Augenblick begreift er vage, dass die seltsamen Einbildungen, Heimsuchungen und Erscheinungen der letzten Tage Geister seiner eigenen Trauer sind, die ihn in den Wahnsinn treiben. Er weiß sicherer als sonst irgendwas, dass sie ihn sehr bald umbringen werden. Aber vor allem fragt er sich, was überhaupt mit Georgia los war, dieser Schlampe. Mann.

24
    Bunny betritt die Lobby des Empress Hotels und ist erfreut zu sehen, dass alles wieder normal ist – die Welt scheint sich wieder zusammengefügt zu haben. Aus irgendeinem Grund erinnert ihn das Empress Hotel an den jämmerlichen Versuch, eine Glatze zu kaschieren, indem man die Haare von der Seite darüberkämmt, aber er ist zu gründlich im Arsch, um zu überlegen, warum. Es ist sechs Uhr morgens, und die Frühaufsteher schlurfen durch die Eingangshalle wie lebende Tote. Diese geschniegelten und gebügelten Lobbyhocker dünsten aus allen Poren ein tränentreibendes Miasma reinen Alkohols aus, aber Bunny merkt es nicht, weil er selbst einen so bestialischen Gestank von sich gibt, dass die Leute instinktiv Abstand halten. Seine saure, durchweichte Kleidung, der metallische Geruch ausgestandener Todesängste und das Bukett seines mordsmäßigen Katers bilden um ihn herum ein Kraftfeld. Außerdem sieht er aus wie ein Wahnsinniger. Bunny ist wirklich stolz auf sich, dass er die Lobby in Zweibeinermanier durchquert hat und nicht auf allen vieren. Er überlegt, ob sich das wohl zu seinem Vorteil auswirkt, lehnt sich auf den Empfangstresen und sagt: »Ich brauch den Schlüssel zu Nummer siebzehn. Ich hab mich ausgesperrt.«
    Auf dem Schädel des Rezeptionisten kleben ein paar Büschel toter Haare, und seine Nase lässt Bunny mit wiederaufflackerndem Grauen an eine Katzenklappe denken. Auf einem Fernseher, der über seinem Kopf an der Wand hängt, laufen gerade die Nachrichten. Der Mann liest durch eine »Mystic Eye« -Scheckkartenlupe die Lokalzeitung, sieht zu Bunny hoch und legt die Zeitung und das »Eye« auf den Tresen.
    »Was die immer für einen Mist schreiben. Da würde man sich am liebsten die Pulsadern aufschneiden. Tag für Tag aufs Neue …«, sagt er.
    Mit einem Gebisslächeln sieht er Bunny an und fragt unbekümmert: »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
    »Den Schlüssel zu Nummer siebzehn, bitte«, sagt Bunny.
    »Hurrikans, Vogelgrippe, Klimaerwärmung, Selbstmordattentäter, Krieg, Folter, Massenmörder …«
    Für einen Moment glaubt Bunny, der Rezeptionist würde die Antwort anhand seiner äußeren Erscheinung selbst zu erraten versuchen, merkt dann aber, dass er mit dem Finger auf die Zeitung tippt.
    »Seuchen, Hungersnöte, Flutkatastrophen, Frösche …«
    »Den Schlüssel …«
    »Kleine Kinder, die andere kleine Kinder umbringen, meterhohe Leichenberge …«
    »Den Schlüssel …«
    Der Rezeptionist schwingt den rechten Arm in einem dramatischen Bogen nach hinten und zeigt mit dem Finger auf den Fernseher.
    »Gucken Sie sich den Spinner da an«, sagt er.
    Bunny braucht nicht hinzusehen, er weiß auch so Bescheid. Er hört die vertraute kreischende und panische Menge, und obwohl er schon weiß, was der Rezeptionist gleich sagen wird, schlägt ihm das Grauen die Krallen ins Rückgrat, und ein kalter Wind wirbelt um seinen gepeinigten Schädel.
    »Er ist da!«, sagt der Mann, zeigt mit dem Finger auf Bunny und

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