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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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sagt: »Es ist biblisch! Die Offenbarung des Johannes, ich sag’s Ihnen! Ach, könnten wir doch bloß alle etwas netter zueinander sein!«
    Bunny legt den Kopf in den Nacken und sieht an der Decke einen antiken Kronleuchter, trüb und voller Fliegenschisse. Die Kristalltropfen werfen gespenstische Lichtmuster an die Wände. Bunny lehnt sich auf den Tresen und sieht den Mann an.
    »Jetzt hören Sie mir mal zu, Sie Vogel. Meine Frau hat sich gerade am Sicherheitsgitter meines eigenen Schlafzimmers erhängt. Mein Sohn wartet oben im Zimmer, und ich hab nicht die leiseste Ahnung, was ich mit ihm anfangen soll. Mein alter Herr gibt jeden Moment den Löffel ab, und in meine Wohnung trau ich mich nicht mehr zurück, weil es dort spukt. Wo ich auch hingucke, seh ich Gespenster. Irgend so eine durchgeknallte Leckschwester hat mir gestern die Nase gebrochen, und ich hab so einen mordsmäßigen Kater, dass er in Ihren kleinen Schwachmatenschädel gar nicht reinpassen würde. Geben Sie mir jetzt also den Schlüssel für Nummer siebzehn, oder muss ich über den Scheißtresen hier klettern und Ihnen das Gebiss in den Hals rammen?«
    Der Rezeptionist dreht sich um, stellt den Fernseher über sich leiser und wendet sich dann wieder Bunny zu.
    »Das Problem ist, Sir, es verstößt gegen die Hotelordnung, zwei Schlüssel rauszugeben.«
    Bunny legt vorsichtig den Kopf auf den Tresen und schließt die Augen, und um seinen Schädel kreisen gebrochene Lichtpünktchen wie von einer Lichterkette.
    »Bitte nicht«, murmelt Bunny.
    Er bleibt eine Weile so liegen, bis er spürt, wie ihm der Schlüssel für Zimmer Nummer 17 in die Hand gelegt wird.
    »Danke«, sagt er und nimmt sich die Zeitung. »Kann ich die haben?«
    Bunny geht durch die Lobby und zerteilt eine Tischtennismannschaft in Jogginganzügen, und die Spieler gucken Bunny an, als käme er aus der Mongolei oder von sonst wo.
    »Ulan-Bator!«, brüllt Bunny, ehe er sich beherrschen kann.
    Einer, vielleicht der Trainer, muss lächeln, und dann jubelt die ganze Mannschaft, sie zeigen Bunny den erhobenen Daumen, klopfen ihm auf den Rücken und rufen »Ulan-Bator!«, und Bunny tappt traurig die Hoteltreppe hoch.
     
    Bunny geht durch den Flur und sieht auf die Uhr, halb sieben. Er steckt den Schlüssel ins Schloss, und dabei fällt ihm auf, dass aus Zimmer 17 ein seltsames Geräusch dringt. Es kommt nicht von Menschen, klingt wie eine Unterhaltung und ziemlich schaurig. Er öffnet die Tür und stellt fest, dass es ihm außerdem eigenartig bekannt vorkommt.
    Bunny betritt das Zimmer, wo ihm etwa im selben Moment zwei Dinge auffallen. Erstens kommen die überspannten, beunruhigenden Geräusche von den Teletubbies, die im Fernseher laufen. Po führt gerade ein schräges Mutantengespräch mit Dipsy. Zweitens steht Bunny Junior reglos mitten im Zimmer, zwischen den beiden Betten. Er starrt mit weit aufgerissenen Augen auf den Fernseher, ist kreidebleich und steht in einer Pfütze, und seine Schlafanzughose ist vorn mit Urin durchweicht. Der Junge dreht sich zu seinem Vater um, lässt die linke Hand vor der Brust flattern und sagt mit tonloser Stimme: »Ich hab die Fernbedienung nicht gefunden.«
    »Scheiße«, sagt Bunny leise.
    Er geht an seinem Sohn vorbei und setzt sich auf die Bettkante. Das Bett ist hart, unversöhnlich und mit leeren Fläschchen übersät. Am Boden liegt ein Zigarettenstummel.
    Bunny fährt sich mit der Hand über das Gesicht. »Du gehst dich am besten umziehen.«
    Der Junge geht an seinem Vater vorbei, eine Hand am Bund seiner Schlafanzughose, die andere auf dem Mund, und sagt: »Tut mir leid, Dad.«
    »Ist schon in Ordnung«, erwidert Bunny, und der Junge verschwindet im Badezimmer.
    Bunny wirft die Zeitung in die Urinpfütze. Im Fernsehen stehen Po und Dipsy Händchen haltend auf einem knallgrünen Feld voller Riesenkaninchen. Bunny sieht runter auf die Zeitung und liest über einem schwarz-weißen Überwachungskamerafoto des Teufelskillers: ›ER IST DA.‹ Er starrt wie in Trance auf das Wasser, das von der Zeitung aufgesogen wird, und versucht es nicht auf sich zu beziehen, als er sieht, dass der dunkle Fleck die Form eines Kaninchens annimmt.
    Als er wieder hochschaut, steht sein Sohn in Shorts und T-Shirt vor ihm. Der Junge klettert auf Bunnys Schoß, schlingt ihm die Arme um den Hals und lehnt den Kopf an seine Brust. Bunny legt dem Jungen behutsam eine Hand auf den Rücken und sieht zum Fenster hinaus.
    »Ist schon in Ordnung«, sagt er.
    Der Junge drückt

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