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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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seinen Dad und fängt an zu weinen. »Ich bin bereit«, sagt Bunny vage, zu niemand Bestimmtem.





Dritter Teil
    Toter

25
    Der Junge findet, sein Vater sieht komisch aus, wie er da im Restaurant des Empress Hotels sitzt und frühstückt, aber das ist wirklich schwer einzuschätzen, denn es kommt ihm vor, als hätte sein Vater schon lange nicht mehr anders ausgesehen. Sein Blick zuckt im ganzen Raum umher – hierhin, dorthin und gleich darauf wieder dahin. Manchmal dreht er den Hals und späht über die Schulter, guckt suchend unter den Tisch, sieht nach, wer zur Tür hereinkommt, oder beäugt argwöhnisch die Kellnerin, als glaubte er, sie würde eine Maske oder einen Schleier oder so was tragen. Andauernd legt er eine Hand auf die Rippen, zieht Luft durch die Zähne, zuckt zusammen und schneidet lauter seltsame Grimassen. Manchmal tut er das alles unglaublich schnell und manchmal unglaublich langsam. Bunny Junior hat den Eindruck, die Zeit spiele ihm Streiche. Es kommt ihm zum Beispiel vor, als könnte er, während sein Dad die Tasse hebt, zu den Lippen führt und einen Schluck Tee trinkt, zu einem runzligen alten Mann werden, und dann wieder scheint sein Vater alles auf Hochtouren und blitzschnell zu tun, wie etwa im Frühstücksraum umherzuflitzen oder zur Toilette zu rennen.
    Bunny Junior kommt sich vor, als wäre er schon eine Million Jahre »unterwegs«, aber mit einem Gefühl wie kalter Nieselregen wird ihm klar, dass es erst der dritte Tag ist.
    Sein Dad faselt andauernd was von der Kundenliste, aber mit der sind sie fast durch, soweit Bunny Junior das sieht. Er fragt sich, was wohl passiert, wenn kein Name mehr übrig ist. Fahren sie dann nach Hause? Kriegen sie einfach nur eine neue Liste? Geht das einfach ewig so weiter? Was hält das Leben noch für ihn bereit? Was wird aus ihm? Gibt es irgendein anderes Leben, das darauf wartet, gelebt zu werden? Dann steckt sein Dad ein ganzes Würstchen auf einmal in den Mund, und dieses wirklich eindrucksvolle Schauspiel entlockt dem Jungen ein Lächeln. Das ist typisch sein Dad, denkt er, immer wenn man kurz davor ist, eine Stinkwut auf ihn zu kriegen, macht er irgendwas, das einen völlig umhaut. Also, denkt er, ich liebe meinen Dad, und das ist gut. Das muss man ihm schon lassen.
    Bunny Junior sieht, dass seinem Vater ein Klecks Ketchup das Kinn runterläuft und auf seiner Krawatte landet. Diesmal ist sie himmelblau und mit Comic-Hasen bedruckt, die gestickte Kreuzchen anstelle von Augen haben und auf weißen Wattewolken herumhocken. Bunny blickt so gedankenversunken im Restaurant umher, dass er gar nicht merkt, was er für eine Sauerei macht, und Bunny Junior feuchtet seine Serviette an und tupft den Fleck damit ab.
    »So ist’s besser«, sagt der Kleine.
    »Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde«, sagt Bunny, dessen Kopf wie eine wild gewordene Sprungfeder in alle Richtungen schnellt.
    »Du wärst halt ein Ferkel«, antwortet der Junge.
    Bunny steht auf und sieht unter seinen Stuhl.
    »Ich hab gesagt, du wärst halt ein altes Ferkel«, sagt Bunny Junior etwas lauter.
    Der Junge hat gerade am Frühstückstisch in seiner Enzyklopädie gelesen, und neben den Begriffen ›Erscheinung‹ und ›Heimsuchung‹ hat er ›Nahtoderfahrung‹ nachgeschlagen.
    Der Junge sieht seinen Vater an und sagt ohne einen bestimmten Grund: »Hey, Dad, in meiner Enzyklopädie steht, eine Nahtoderfahrung ist ein einschneidendes Erlebnis, von dem manche Menschen berichten, die mal fast tot waren.«
    Mit einem Ruck steht sein Vater auf und stößt dabei gegen den Tisch, Besteck und Geschirr klirren, die weiße Porzellanvase mit der einzelnen, traurigen Blume fällt um, und Bunny und sein Sohn sehen zu, wie das Wasser in Zeitlupe in die Tischdecke sickert. Bunny Junior nimmt die Blume, ein rosa Tausendschön, und steckt sie seinem Vater ins Knopfloch.
    »Da, bitte«, sagt der Junge.
    »Auf an die Arbeit«, sagt Bunny. Er schiebt quietschend seinen Stuhl zurück. »Es warten wichtige Geschäfte auf uns.«
    Bunny stellt den Jackettkragen hoch und umfasst seinen Körper mit den Armen.
    »Kann es sein, dass die Klimaanlage hier drin ziemlich kalt eingestellt ist?«, sagt er mit einem Schauder.
    »Ja, kann sein«, erwidert der Junge, nimmt seine Enzyklopädie und folgt seinem Vater aus dem Frühstücksraum des Empress Hotels.
     
    An der Rezeption hört Bunny eine schnuckelige australische Backpacker-Schnecke mit pinkfarbenen Strähnchen und dünn überpuderten Sommersprossen zu

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