Der Tod des Bunny Munro
ich liebe meine Frau wirklich«, sagt der Musiker und fährt sich mit dem Finger über den Schnurrbart, den Blick in weite Ferne gerichtet.
In Bunnys Hals steigt eine Welle der Rührung auf, er presst die Lippen zusammen und dreht das Gesicht weg, das für einen Moment im Schatten verschwindet.
Plötzlich taucht wie aus dem Nichts ein kleiner Mann mit einem glänzenden, rotblonden Toupet und einem knallroten Smoking mit weißen Biesen auf, dessen Knöpfe so groß sind wie die Deckel von Milchflaschen. Der Mann drängt sich an Bunny vorbei, hopst auf die Bühne, lässt die Hüften kreisen und bringt die Band mit fliegenden Handbewegungen dazu, ihr Lied zu beenden.
Der Musiker mit dem Schnurrbart beugt sich dicht zu Bunny und raunt ihm hinter vorgehaltener Hand zu: »Hey, kennst du schon den von dem Junkie, der sich ein ganzes Päckchen Curry gedrückt hat?«
»Nein«, antwortet Bunny, der noch einmal den Vorhang zurückgezogen hat und den Blick besorgt durch die Menge auf der Tanzfläche des Kaiserinnen-Ballsaals schweifen lässt.
»Na ja, er liegt jetzt im Koma.«
Der winzige Conférencier vorn auf der Bühne hüpft zum Mikro, schlägt seine Manschetten um, breitet die Arme weit aus und sagt mit einer Stimme, deren Tiefe und Eindringlichkeit Bunny erstaunt: »Hei-di-hei!«
Das Publikum applaudiert verhalten.
»Ich kann Sie nicht hören!«, ruft er. »Ich sagte ›Hei-di-hei!‹«, und dann geht er zum Bühnenrand und hält dem Publikum das Mikrofon hin.
»Hei-di-hei!«, ruft das Publikum im Chor.
»Schon besser! Wollen wir uns heute Abend amüsieren?«
Das Publikum taut auf, stampft jetzt begeistert mit den Füßen und klatscht.
»Wir werden tanzen!«, sagt der Conférencier und tippelt mit seinen kleinen Füßen flink im Kreis. Sein rosa Toupet schimmert im Rampenlicht, und die Knöpfe an seinem Smoking glitzern. »Wir werden singen!«, ruft er und beginnt grauenhaft zu jodeln, dann zeigt er mit dem Daumen über die Schulter auf die Musiker, wackelt mit den dicken schwarzen Augenbrauen und flüstert laut zum Publikum: »Das überlasse ich besser den Profis!« Die Menge lacht, pfeift und applaudiert. »Und wenn die Lichter ausgehen«, sagt der Conférencier mit einem anzüglichen Zwinkern, »dann werden wir uns vielleicht ein bisschen lieben!«
Die Menge johlt und stampft, und der kleine Mann schlurft über die Bühne, macht zweideutige Handbewegungen und stößt die knabenhaften Hüften vor und zurück.
Bunny spürt, wie ihm ein Schweißtropfen die Schläfe runterläuft. Er zieht ein Taschentuch aus der Jacketttasche und tupft sich damit die Stirn ab. Der Musiker sieht Bunny besorgt oder mitfühlend oder weiß der Himmel wie an.
»Was machst du hier, Mann?«, fragt er.
»Ich versuche nur, etwas wiedergutzumachen, wissen Sie«, antwortet Bunny.
»M-hm, verstehe«, sagt der Musiker. »Wir müssen einander lieben oder sterben, Bruder.«
»Ja, das hab ich schon mal gehört«, antwortet Bunny. Wieder macht sich Reue in ihm breit, und er legt die Hand aufs Herz.
»Das ist der Leim der Welt, Baby«, sagt der Musiker und bläst sanft in sein Saxofon. »Sorgt dafür, dass sich die Erde immer weiterdreht.«
Bunny späht noch einmal hinter den Vorhang. Die Discokugel an der Decke des Ballsaals dreht sich jetzt und lässt silberne Lichtsplitter über die Gesichter der Menge tanzen, und in der ersten Reihe entdeckt Bunny Georgia, eine echte Schönheit. Sie wirkt stolz, fast königlich in ihrem cremefarbenen Chiffon-Abendkleid, dessen Oberteil mit roten Pailletten bestickt ist, die wie Spritzer von Pulsaderblut aussehen. Ihr blondes Haar umspielt in lockeren Ringeln ihre lavendelfarbenen Augen, und mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht wiegt sie sich zu einer inneren Melodie vor und zurück. Links und rechts neben ihr stehen Zoë und Amanda, in identischen indigoblauen Hosenanzügen. Zoë hat jetzt dieselben bonbonfarbenen Extensions im Haar wie Amanda, und sie sehen glücklich aus.
Nicht weit von ihnen entdeckt Bunny Charlotte Parnovar, den Taekwondo-Schwarzgurt, in einem mexikanischen Bauernrock und einer bestickten, weißen Bluse, und Bunny streicht unbewusst über den Höcker auf seinem Nasenrücken und bemerkt, dass Charlottes Gesicht sanfter aussieht, weniger streng. Die unansehnliche Blase auf ihrer Stirn ist verschwunden.
Bunny sieht Pamela Stokes (Poodles »Geschenk«), Arm in Arm mit der betrogenen Mylene Huq aus Rottingdean.
Die beiden lächeln und werfen einander schüchterne und
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