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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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Verständnis hat er nicht gezeigt.
    Es ist mal wieder so total daneben, was er da von sich gibt. Der Widerspruch, den er da konzipiert, geht voll in die Hose. Und das ausgerechnet heute abend, wo er sich tatsächlich mal unheimlich verständnisvoll mit mir auseinandergesetzt hat! Wo er wirklich im ersten Teil unseres Gesprächs beides miteinander vereint hat, was er da gerade als Widerspruch hinstellt. Und dann sagt er noch irgendwas, daß es sowieso nie eine Beziehung war mit uns. «Ich würd es nicht Beziehung nennen. Ich würd eher sagen, es war ein Bedürfnis.»
    «Da hast du mir aber am Anfang was anderes erzählt. Als du mich zwei Stunden kanntest, hast du mir was von erzählt. Da hab ich mich noch gewundert.»
    Arne beharrt darauf, daß es ein «Bedürfnis» war. Soll er doch. Ich weiß es besser. Und dann kann er sich nicht mehr daran erinnern, was er da am Anfang mal gesagt haben soll. Verdrängungskünstler. Ich nehme seine Hand. «Ich wollte dich noch um was bitten, Arne. Kannst du die Entscheidung, mit den Zärtlichkeiten und so... kannst du die bitte mir überlassen?»
    «Nein», sagt Arne. Ganz einfach «Nein».
    Ich denke, der spinnt ja wohl. Denke, daß er entgegen seinen eigenen Bedürfnissen keine Zärtlichkeiten mehr mit mir will, weil er vorhin gesagt hat, er weiß nicht, ob das richtig ist, mit Zärtlichkeiten und so. Und daß er jetzt meint, er müsse das entscheiden, um mich nicht immer in Konflikte zu bringen. Ganz ritterlich.
    Aber nein. Arne hat es ganz anders gemeint. Er hatte mich so verstanden, daß ich von ihm verlange, daß er von sich aus nichts mehr macht und mir für alle Zeiten die Initiative überlassen soll. «Nein.» Das will er nicht. Dagegen hat er mit seinem prompten «Nein» rebelliert.
    Das ist ja eigentlich noch frecher, als ich dachte. Das ist ja das genaue Gegenteil von der Ritterlichkeit, die ich ihm unterstellt habe! Er will seine Streicheleinheiten. Da besteht er drauf. Die Entscheidung kann er mir nicht überlassen. «Nein.»
    Plötzlich stelle ich fest, daß die letzte Bahn in ’ner Viertelstunde fährt und ich sofort los muß. Ich ziehe meine Parka an und gehe um den Tisch herum zu ihm rüber. Umarme ihn, streichle ihn. Frage ihn, ob er meinen Grog bezahlen kann, damit ich nicht noch fünf Minuten an der Theke warten muß.
    Auf dem Weg zum Bahnhof fällt mir ein, daß ich vergessen habe, ihn nach Ankes Telefonnummer zu fragen. Schreibe ihm zu Hause noch schnell eine Karte.

    Ob er wohl die Szene mit dem alten Mann schon gelesen hat? Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, wenn ich ihm in die Augen sah. Da war so was Unausgesprochenes in der Luft. Aber er hat es auch nicht angesprochen. Ob er es wohl schon gelesen hatte?

    Am Sonntag ruft Arne an. Gibt mir Ankes Telefonnummer durch. Ich habe neue Sachen für ihn fotokopiert. Szenen über meine Sexualität. Ich will, daß er das liest. Er kommt, holt sich das ab. Es entwickelt sich eine sehr gute politische Diskussion. Es geht um Fragen, die mir schon lange unter den Nägeln brennen. Zur Arbeiterbewegung, zur materiellen Verelendung, die es heute nicht mehr zu geben scheint. Scheint! Den meisten Leuten «scheint» es gut zu gehen. Farbfernseher und Auto. Geht es ihnen gut? Kann ich mich hinstellen und den Leuten erzählen, daß das Fernsehen sie mit Ideologie vollplätschert, ohne daß sie es merken? Daß Farbfernseher und Auto eigentlich gar nicht das höchste menschliche Glück sind. Daß ihnen das nur eingeredet wird. Daß zur gleichen Zeit, wo sie zu Hause im Wohnzimmer hören, 1980 gingen die Lichter aus, draußen ein AKW nach dem anderen auf Grund einer kleinen Panne sein radioaktives Wasser in unsere Flüsse leitet. Die sitzen vorm Fernseher und hören sich geduldig an, daß die radioaktive Strahlung mal wieder weit unter der zulässigen Grenze lag. Wundern sich, daß im Nebenhaus schon wieder ’ne ganz junge Frau an Krebs gestorben ist.

    Soll ich den Arbeitern erzählen, daß das alles am Kapitalismus liegt? Die lachen mich aus und sagen: «Geh doch nach drüben.»
    Aber was soll ich «drüben»? «Drüben» strahlen auch AKW. «Drüben» müssen die Frauen auch die Pille nehmen, weil keine unschädlichen Verhütungsmittel entwickelt werden. «Drüben» würde ich mit meiner politischen Meinung auch nicht in den Schuldienst kommen. Die DDR ist kein sozialistischer Staat. Aber sie gibt vor, einer zu sein und macht uns damit unsere politische Arbeit schwer. Wenn wir den Leuten sagen, unser

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