Der Tod des Maerchenprinzen
zum Termin. Vorbereitung einer Aktion gegen einen reaktionären Dozenten. Sitze zwischen den anderen Genossen. Kann der Diskussion nicht folgen. Nach dem Termin rufe ich mittags gleich Michi an. «Ich würd gern mit dir reden.»
Sagt der Typ doch in einem Tonfall, als ob’s um Sinuskurven oder rechte Winkel geht: «Ja? Worum geht’s denn?»
Ganz freundlich sagt er das, als wenn er sich überhaupt nicht denken kann, was eine Frau von ihm will, die er nachts bumst und morgens nicht mehr anfaßt.
«Es geht darum... es ist wohl so, daß wir da mit unterschiedlichen Erwartungen rangegangen sind, und da wollt ich gerne mit dir drüber reden.»
Ich bin ja wohl nicht ganz dicht. Anstatt ins Telefon zu schreien :: Du Scheiß-Macker. Ich hab mich in dich verliebt, und du hast mich nur gebumst, du Schwein!
Nein, da hat frau gelernt, ganz ruhig und sachlich was von «unterschiedlichen Erwartungen» ins Telefon zu theoretisieren . Emannzipation.
Nach der «Strauß in China»-Veranstaltung fragen die anderen Genossen ihn, ob er mit ’n Bier trinken kommt. Er macht es davon abhängig, ob ich mitkomme. Wie fortschrittlich von ihm, daß er das Gespräch mit mir über das Bier mit den Genossen stellt...
Erzählt mir was von Fixierung und Freiheit. Daß es da noch zwei, drei andere Frauen gibt, mit denen er ab und zu mal...
Ich höre nichts mehr. Mich will keiner. Ich alleine reiche keinem Mann. Bin nicht gut genug, als daß einer mit der Beziehung zu mir zufrieden sein könnte. Mann braucht andere Frauen neben mir. Zweierbeziehung ist reaktionär. Ich darf nicht eifersüchtig sein. Man darf sich nicht so aufeinander fixieren. Und bumsen ist doch gar nichts Besonderes.
Als wir auf meine politische Entwicklung zu sprechen kommen, sage ich, daß ich Widersprüche zur Politik des KBW habe. Er schafft es, dieses Schwein schafft es, mir einzureden, es seien keine Widersprüche, sondern Unklarheiten. Fragt nur: «Widersprüche oder Unklarheiten?» Aber so rhetorisch, daß ich nur noch antworten kann: «Unklarheiten.» Verschüchtert sitze ich da neben dem gefestigten Politmacker, der keine Zweierbeziehung braucht und keine politischen Unklarheiten hat. Das war nicht das erste Mal. Ich erwarte von Männern nichts anderes mehr.
1975. Die Frauenbewegung beginnt, sich zu bewegen. Ich höre von meinem derzeitigen Freund, daß sich an der Uni auch eine Frauengruppe gründet. Ich gehe heimlich mit meiner Freundin zum ersten Termin. Ihm sage ich, wir gehen «aus». Es geht ihn gar nichts an. Er soll es erst erfahren, wenn ich da war. Ich habe Angst. Was das wohl ist: Frauengruppe? Ich sag da sowieso nichts. Seit ich an der Uni und auf politischen Terminen bin, sage ich nichts mehr. Ich war auf einer Mädchenschule. Da war ich im Mündlichen eine der Besten in der Klasse. Seit ich an der Uni bin, unter Männern, sage ich nichts. Ich gehe zur Frauengruppe. Ich habe Angst. Auf politischen Terminen sage ich sowieso nichts. Ich sitze eine Stunde unter wildfremden Frauen und fange an zu reden. Ich beteilige mich an der Diskussion. Ich wundere mich.
Es kursiert das Buch: . Von Alice Schwärzten Da steht drin, daß ein vaginaler Orgasmus eine Absurdität ist. Daß andere Frauen es auch nur geduldig ertragen, von hinten gebumst zu werden und eigentlich gar keinen Bock darauf haben. Da steht drin, daß andere Frauen sich auch nicht dagegen wehren können, wenn er dauernd will. Daß die auch ganz lange gebraucht haben, um sich durchzusetzen. Es sind ja gar nicht meine individuellen Orgasmusschwierigkeiten. Andere Frauen haben dasselbe durchgemacht wie ich. Ich bin gar nicht alleine mit meinen Problemen.
Ganz allmählich dämmert mir die Erkenntnis, daß es mein Recht ist, mich sexuell zu verweigern. Daß ich «nein» sagen darf, wenn ich nicht will. Die nächsten Beziehungen gehe ich unter dieser Prämisse ein. Ganz klar im Kopf, daß man nur zusammen schlafen kann, wenn beide es wollen. Grundgedanken, die sogar ausgesprochen sind. Lange diskutiert werden. Die Typen kennen meine Vergangenheit. Kennen das Problem, daß Frauen dazu erzogen werden, nicht «nein» sagen zu können. Ganz klar im Kopf, daß es Ursachen hat, wenn frau über längere Zeit keine Lust mehr hat. Daß es meistens Ursachen hat, die nicht nur in der sexuellen Beziehung liegen. Daß die Sexualität der Spiegel dessen ist, was sich sonst in der Beziehung abspielt. (Szene mit Uli im Auto. Er sieht den Zusammenhang auch. «Wenn’s im Bett nicht klappt,
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