Der Tod ist mein Beruf
Graben in seiner ganzen Ausdehnung übersehen. Die Häftlinge um uns herum bewegten sich wie Wahnsinnige. Ein Taschentuch, das unterhalb der Augen zusammengeknotet war, bedeckte Nase und Mund, so daß sie überhaupt kein Gesicht zu haben schienen. Etwas weiter hinten verschwanden sie in dicken Rauchschwaden, und die nackten Körper, die sie in den Graben warfen, schienen aus dem Nichts zu kommen. Sie flogen unaufhörlich von rechts und links heran, schlugen in der Luft Purzelbäume wie Hampelmänner, starkes Licht beleuchtete sie kurz von unten her, sie fielen nieder und verschwanden wie von den Flammen verschluckt. Ein Häftling näherte sich mit einem Eimer, die Leine lief ab, und der Eimer tauchte von neuem in die Flüssigkeit. Das Knistern war betäubend. "Kommen Sie!"
schrie mir Kellner ins Ohr. Wir gingen wieder zum Auto. Setzler erwartete uns, er lehnte an der Wagentür. Als er mich sah, verbesserte er seine Haltung. "Entschuldigen Sie", sagte er, "ich habe Sie in dem Rauch verloren."
Wir nahmen im Wagen Platz. Kein Wort wurde gewechselt. Kellner saß unbeweglich da. Er hielt sich kerzengerade, und sein scharfes Profil zeichnete sich gegen die Glasscheibe des Autos ab. "Sehen Sie", sagte er, als er sich wieder hinter seinen Schreibtisch setzte, "das Verfahren ist einfach. ..aber es war viel Herumprobieren nötig, um es hinzukriegen. ..Erstens muß der Graben. ..wie soll ich sagen. ..optimale Ausmaße haben."
Er zog seine rechte Braue hoch, sein Monokel fiel herab, er fing es wieder im Fluge und begann, es zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her pendeln zu lassen. "Ich fand heraus, daß ein guter Graben fünfzig Meter lang, sechs Meter breit und drei Meter tief sein muß."
Er hob die Hand, die das Monokel hielt. "Der zweite Punkt, der mir viel Mühe gemacht hat, ist die Anordnung des Holzes und der Leichen. Sie begreifen, man darf sich nicht auf den Zufall verlassen. Ich gehe so vor. Ich lege eine erste Schicht Holz auf den Boden. Auf diese Schicht lege ich etwa hundert Leichen, und das ist der wichtigste Punkt, Sturmbannführer! zwischen die Leichen lege ich wieder Holz. Ich brenne dann mit Petroleumlappen das Ganze an, und wenn das Feuer richtig brennt, aber erst dann, lege ich Holz nach und werfe neue Leichen darauf. ..", er machte eine Bewegung mit der Hand, "und so weiter. .."
Er hob sein Monokel. "Der dritte Punkt ist das Fett."
Er sah mich an. "Sie müssen wissen", fuhr er fort, "daß am Anfang die Verbrennung durch die ungeheure Menge Fett behindert wurde, die sich von den Leichen absonderte. Ich suchte eine Lösung. ..", er lächelte verbindlich, ,'. ..und ich fand sie. Ich mache den Graben abschüssig, lege Abflußrinnen an und sammle das Fett in einem Behälter."
Ich sagte: "Standartenführer, die Häftlinge, die das Fett mit Eimern schöpften..."
"Ganz richtig."
Er legte beide Hände flach auf den Tisch und sah mich pfiffig an. "Sie besprengen damit die Leichen. Das ist der ganze Trick. Ich besprenge die Leichen mit einem Teil des Fetts, das sie abgeben. .. Warum?"
Er hob die rechte Hand. "Viel Fett behindert die Verbrennung, aber ein wenig Fett regt sie an. Bei Regenwetter zum Beispiel ist das Besprengen wertvoll."
Er öffnete sein goldenes Etui, hielt es mir hin, hielt es Setzler hin und gab uns Feuer. Dann nahm er selbst eine Zigarette, löschte sein Feuerzeug, knipste es wieder an und hielt seine Zigarette in die Flamme. Ich sagte: "Standartenführer, wie hoch ist die Leistung eines derartigen Grabens in vierundzwanzig Stunden?"
Er lachte. "In vierundzwanzig Stunden? Aber Sie sind wirklich großzügig."
Er warf mir von der Seite einen Blick zu, sein Gesicht wurde wieder ernst, und er fuhr fort: "Sie verstehen, die Leistung innerhalb von vierundzwanzig Stunden ist keine Frage für mich. Ich habe niemals solche Mengen zu bewältigen. Doch ich kann Ihnen meine Stundenleistung sagen. Sie beläuft sich auf dreihundert bis vierhundert Einheiten; dreihundertvierzig bei trockenem Wetter und dreihundert bei Regenwetter. "
Ich rechnete und sagte: "Achttausend Leichen in vierundzwanzig Stunden."
"
Vermutlich."
"Natürlich", sagte ich nach einer Weile, "kann derselbe Graben unbegrenzt lange dienen?"
"Natürlich."
Es entstand ein Schweigen, und ich sah Setzler an. Die Zeit der tastenden Versuche und der Angst war abgeschlossen. Ich konnte mit Vertrauen in die Zukunft blicken. Ich war von nun an sicher, die im Plan vorgesehene Leistung zu erreichen und sogar zu übertreffen. Was mich
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