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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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mit einem Blick. Ich zuckte die Achseln. Der Mann lächelte, zuckte seinerseits die Achseln und drehte sich wieder um. Henckel hatte sich etwas zurückfallen lassen. Er marschierte jetzt rechts neben mir auf gleicher Höhe. Er war sehr bleich und blickte vor sich hin. Dann hörte ich jemanden ganz leise summen. Ich wandte den Kopf, Henckels Lippen bewegten sich, ich näherte mich etwas, er warf mir einen raschen Blick zu, seine Lippen bewegten sich von neuem, und ich hörte: "Wir sind die letzten deutschen Männer, die am Feind geblieben sind."
    Ich fühlte, daß er mich anblickte, und nahm wieder Abstand. Nach ein paar Metern sah ich von der Seite, wie Henckel nervös das Gesicht hob, es immer mehr nach rechts drehte und nach vorn blickte. Ich blickte in dieselbe Richtung, aber es war nichts zu sehen als eine kleine Straße, die in unsere mündete. Henckel ließ sich immer weiter zurückfallen, er war jetzt hinter mir und summte: "Wir sind die letzten deutschen Männer, die am Feind geblieben sind", mit leiser, bittender Stimme, aber ich konnte mich nicht entschließen, ihn anzusprechen, um ihm zu sagen, er solle schneller gehen und still sein. In diesem Augenblick kam links von mir mit lautem Geklapper eine Straßenbahn vorbei, mechanisch drehte ich den Kopf hin, und im selben Augenblick hörte ich von rechts das Geräusch des Laufschritts, ich drehte mich um: Henckel lief davon. Er hatte schon fast die Ecke der kleinen Straße erreicht, als ich mein Gewehr hochriß und schoß: Er drehte sich zweimal um sich selbst und fiel auf den Rücken. Ich rief "Halt!", die Kolonne blieb stehen, ich eilte zu Henckel hin, ein Beben lief durch seinen Körper, er sah mich starr an. Ohne anzulegen, schoß ich aus weniger als einem Meter Entfernung noch einmal, ich zielte auf den Kopf, die Kugel schlug auf den Bürgersteig. Zwei Meter von mir entfernt kam aus einem Haus eine Frau. Sie. blieb wie angenagelt mit verstörtem Blick auf der Schwelle stehen.

    Ich schoß noch zweimal ohne Erfolg. Schweiß lief mir den Hals herunter, meine Hände zitterten, Henckel starrte mich an. Schließlich setzte ich die Mündung der Waffe an seinen Verband, sagte leise: "Verzeihung, Kamerad!"
    und drückte ab. Ich hörte einen gellenden Schrei, ich wandte den Kopf, die Frau hielt ihre schwarzbehandschuhten Hände vor die Augen und schrie wie eine Verrückte. Nach den Kämpfen an der Ruhr schlug ich mich noch in Oberschlesien mit den polnischen Aufständischen herum, die, insgeheim von der Entente unterstützt, Deutschland die Gebiete zu entreißen suchten, welche die Volksabstimmung ihm gelassen hatte. Die Freikorps warfen die Sokols siegreich zurück, und die neue, von der Interalliierten Kommission aufgestellte Demarkationslinie bestätigte den Raumgewinn unserer Truppen. "Die letzten deutschen Männer"
    hatten nicht umsonst gekämpft. Doch kurz darauf erfuhren wir, daß die deutsche Republik zum Dank dafür, daß wir die Ostgrenzen verteidigt, einen Spartakistenaufstand unterdrückt und Deutschland zwei Drittel von Oberschlesien erhalten hatten, uns auf die Straße warf. Die Freikorps wurden aufgelöst; Widerspenstige wurden verhaftet und mit Gefängnis bedroht. Ich kehrte nach H. zurück, wurde dort entlassen und erhielt meine Zivilkleider und den Mantel des Onkel Franz zurück. Ich suchte Frau Lippmann auf und teilte ihr den Tod Schraders mit. Sie schluchzte sehr und behielt mich zum Übernachten da. Aber an den folgenden Tagen gewöhnte sie sich an, jeden Augenblick in mein Zimmer zu kommen und mit mir von Schrader zu reden. Wenn sie am Ende war, wischte sie ihre Tränen ab, blieb noch eine Weile, ohne etwas zu sagen, brach dann plötzlich in ein girrendes Gelächter aus und begann mich zu necken. Schließlich behauptete sie, stärker zu sein als ich, und daß sie bei einem Ringkampf mich mit beiden Schultern auf den Boden legen könnte. Da ich die Herausforderung nicht annahm, faßte sie mich um den Leib, ich kämpfte, um mich von ihr frei zu machen, sie drückte fester, wir wälzten uns auf dem Fußboden, ihr Atem wurde schwer, ihr Busen und ihre Schenkel preßten sich an meinen Körper; es ekelte mich an und machte mir gleichzeitig Vergnügen. Endlich gelang es mir, mich frei zu machen, sie stand auch auf, rot und schwitzend, warf mir einen bösen Blick zu, beschimpfte mich, und manchmal versuchte sie sogar, mich zu schlagen. Nach einer Weile geriet ich dann in Zorn, ich schlug zurück, sie klammerte sich an mich, ihr Atem ging immer

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