Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
seinem Kaffee nippt.
Ein kurzes Gespräch. Ja, sie käme nachher vorbei. Das war’s.
Die Neuankömmlinge könnten Zwillinge sein. Die gleichen Röhrenjeans, rötlich gefärbte Lockenpracht und rauchige Stimmen. Wie Bart Simpsons Tanten. Abwechselnd stoßen sie ein kurzes bellendes Husten hervor. Oder es ist ihre Version von herzlichem Lachen. Die Küche füllt sich. Er hält sich an der Tasse fest und trägt nicht viel zum Gespräch bei. Auch den beiden darf er kundtun, dass er leider nicht aus Togo kommt. Dann geht es um Kinderlärm, Kaugummi in Türschlössern und Schimmelbekämpfung im Bad.
Alle drei wirken, als hätte die Vorsehung für sie eher den Wühltisch denn das exklusive Sortiment bereitgehalten. Man muss schnell zugreifen, eh ein anderer danach grapscht, wurscht, ob es was taugt. Trotzdem sind sie von einer Lebenslust und einem Humor beseelt, wie sie da munter zusammenglucken. Die ließen sich nicht unterkriegen.
Dem Sandner kommt so mancher misstrauischer, griesgrämiger Geizkragen in den Kopf, der ihm über den Weg gelaufen ist. Komisch, dass die Leut, an denen sich das Schicksal immerzu die Schuhe abputzt, oft die sympathischeren sind. Wenn du dagegen alles haben willst, musst du dafür das Menschliche eintauschen. Das wäre eh nur hinderlich, um wahre Besitztümer gewissensfrei zu genießen. Nur der Neid und die Furcht verlassen dich nie. Dicke Kumpels, die beiden.
Zuhören macht träge. Manchmal formt sich Geplapper zum weichen Kopfkissen, und du könntest augenblicklich wegnicken. Kennt ein jeder. Der eine aus der Arbeit, der andere vom Ehegespinst. Erst als die Polizei zur Sprache kommt, fällt die akustische Müdigkeit von Sandner ab.
»Den werden’S schon noch kennenlernen, den Kastelmeyer«, meint die Fuhrer zu ihm.
»Der ist mir heut schon begegnet. Sympathisch ist anders.«
»Der hat keine, die auf ihn wartet, sonst würd er nicht immer hier herumschleichen. Der kommt nie zum Schuss.«
»Könntest du dir des vorstellen, mit der fetten Sau?«, will eine der Rothaarigen rhetorisch wissen.
Gemeinschaftliches Gegröle. Anschließend kurzer Austausch über die Wahrscheinlichkeit von Potenzstörungen und sonstige körperliche Unzulänglichkeiten des Polizisten. Der Polizisten generell. Pistole als Penisersatz. Sublimierung, frei nach Meister Freud. Kennt man ja. Dazwischen bekommt der Sandner Blicke zugeworfen, die darauf hindeuten, dass sie bei ihm nichts dergleichen vermuten würden. Womit sie recht hätten. Sein Ersatzpenis ist abgängig. Er wirft ein halblebiges Grinsen in die Runde. Immerhin ist er gerade Teil ihres Tratschkartells. Der Kastelmeyer bekommt sein Fett weg. Wenn auch nur verbal. Die Realität bleibt schwer und unförmig.
»Meinst, mir graust’s vor gar nix«, schließt die Fuhrer den Themenkomplex ab.
I hr Mann, der Fuhrer Bene, ist kaum auf der Welt gewesen, da hat ihm das Leben die Tür vor der Nase zugeschlagen. Nur für Mitglieder. Im Heim ist er groß geworden, weil seine Eltern nicht von der Nadel gekommen sind. Immer wieder probiert hat es die Mutter, und phasenweise hat erbei ihr wohnen dürfen. Vielleicht wäre er immer noch da und hätte sich um sie gekümmert, wenn sie nicht irgendwann in die Psychiatrische nach Haar gekommen wäre. Auf dem Bau hat er sich durchgeschlagen, aber sein Lieblingswerkzeug ist allerweil die Flasche gewesen. Universalwerkzeug. Macht dir alles auf, hält dich warm und klopft dir die Seele fest, wenn sie wieder mal verrutscht ist. Seine Theresa ist einfach in sein Leben gekommen und geblieben. Ängstlich ist er immer gewesen, ob ihm das überhaupt zustünde. Und gelauert hat er, wann es endlich so weit wäre, dass ihn das Leben wieder hinausschmeißt, weil er sich eingeschlichen hat, durch die Hintertür. Aber die Theresa hat ihn ernst genommen, gehakelt mit ihm und ihm die Schnapsflaschen versteckt. Vielleicht hätten sie es geschafft zusammen, weil die Frau gewärmt hat, wie kein Alkohol das vollbringt, und auch nicht so gelogen hat. Und dass sie schwanger war, hat ihm ein Glück beschert, an das er nicht mehr geglaubt hat. Aber dann ist der Wessold dahergekommen mit seinen Geschichten. Und ein jeder hat hinter ihm getuschelt. Ob er überhaupt der Vater wäre? Sauberer Ehemann, sauberer Vater, der so etwas zulässt. An jenem verhängnisvollen Abend war er beim Ansi gewesen. Seit Monaten wieder mal stramm. Als dann der Wessold gekommen ist, hat es kein Halten gegeben. Aber der Ansi hat keinen Streit geduldet und ihn vor die
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