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Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)

Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)

Titel: Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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eingefärbtem Idiom spricht.
    »Jetzt stehen wir da und sind keinen Deut schlauer wie gestern. Und der Sandner hockt sich da draußen den Oasch breit und nix passiert. Und das Altenheim? Auch nix. Ich bereu, dass ich dem Wenzel nicht recht gegeben hab. Wenn ihr bis morgen früh nix zerreißt ... dann zerreißt es mich. Kreuzkruzifix!«
    Seinen Stock stößt der Alte wutentbrannt auf den Boden. Der Kopf färbt sich puterrot. »Ihr kümmerts euch um jeden Dreck, um jedes Kaugummipapierl auf der Straß. Aber hilft das was? Na. Einen Scheiß! Genauso gut hätt das die Polizeikapelle gekonnt und dazu noch einen Marsch aufgespielt. Nicht zum Aushalten ist das!«
    Der Jonny sagt nichts dazu. Er schenkt sich ein Weißbier ein und schaut den Brauner fragend an. Der winkt ab. Einen Tee hat er vor sich stehen. Kamille.
    »Darf ich Sie einmal was Persönliches fragen?«, beginnt der junge Polizist und betrachtet dabei nachdenklich das Beerdigungsfoto. Er will einen Themenwechsel, bevor sich der Alte noch mehr hineinsteigert.
    »Weil ich sie sonst irgendwann derschlagen hätt. Das ist die Antwort auf deine Frage.«
    »Das meinen Sie nicht ernst, oder?«
    Der Brauner neigt nur das Haupt und presst die Lippen zusammen.
    Der Jonny räuspert sich kurz.
    »Na ja, ich hab halt gedacht, das Haus ist groß genug, und es gibt ja Pflegedienste und weiß der Geier. Und allein ist es schon ein bisserl einsam, oder?« Er nippt vom Schaum.
    »Schau, Bursch, ich bin über siebzig. Von mir sind viele Spezln abgekratzt. Und wenn du pensioniert bist, bist du für manche gestorben. Die sehen dich nimmer, als hättst du eine Tarnkappe auf. Du nützt ihnen ja nix mehr. Ist halt so. Braucht man nicht rumjammern. Mein Bein macht nimmer richtig mit. Und meine Mutter ist immer eine starke Frau gewesen – die wollt allerweil sagen, wo es langgeht. Ein richtiger Sturkopf.
    So – und jetzt stell dir vor, keiner von uns kommt mehr groß raus aus dem Haus. Niemand kommt vorbei. Wir hocken die ganze Zeit aufeinander, wie der Robinson und sein Freitag – bloß dass nie ein Schifferl kommen wird – verstehst? Des wär lebenslänglich in der Doppelzelle. Sie hat gar nie zu mir wollen – als sie noch gut beieinander war. Aber jetzt denk ich mir, was wir alles noch hätten besprechen können. Ihr Kopf ist nimmer so klar, aber ...«
    »So hab ich es nicht gemeint. War kein Vorwurf.«
    »Ich weiß schon. Leben deine Eltern noch?«
    »Freilich, die führen eine Gastwirtschaft.«
    Der Brauner sagt nichts mehr. Die Augen sind ihm zugefallen. Er beginnt zu schnarchen.
    Der Jonny daddelt mit dem Smartphone. Tetris.
    D er Brauner weiß nur die halbe Wahrheit. Von nix zerreißen kann keine Rede sein. Zumindest hat der Sandner den Harthof zum Kriegsgebiet deklariert, Leichen inklusive. Jetzt tut er sich schwer. Stellungnahmen zu verfassen ist seine Sache nicht, insbesondere Berichte, die mit eigenem Fehlverhalten zu tun haben. Morgen früh wird es ihm an den Kragen gehen, daran hat er keinen Zweifel. Allerdings ist ihm das Ausmaß unbekannt. Die Kriminaltechniker halten sich über die Art der Mordwaffe noch bedeckt. Falls der Chingachgook pflichtgemäß gehandelt und dem Yilmaz kein Haar gekrümmt hat, wird auch dieser Kelch an ihm vorübergehen. Dass ein Schierlingsbecher seiner harren könnte, hätte er sich möglicherweise ausmalen können. Aber wenn du drinsteckst in der Scheiße, kannst du selten übers Land schauen und ihr Gewicht schätzen.
    In den Clubs und Bars hinter dem Ostbahnhof, beim Gärtnerplatz oder all den anderen unzähligen Fleckerln in der noch wachen Stadt wird das Jungvolk, und wer sich noch dazuzählen mag, jetzt die Nacht und das Leben zelebrieren. Auf seine Weise. Den Tag vergessen, sich in den Armen liegen, schmusen, tanzen, saufen oder auf etwas lauern, was sie einmalig macht, diese Nacht. Und wenn es eine Prügelei hinterm Hauptbahnhof wär. Und irgendwo gibt es jemanden, für den diese Nacht die letzte im Leben sein wird. Einen gibt es immer.
    Der Sandner und sein Team haben dem Spektakel Bettruhe verordnet. Beinahe gleichzeitig fallen sie auf ihre Matratzen. Jeder allein mit sich. Wenn du Erschöpfung in der Apotheke kaufen könntest, wären Schlaftabletten nichts als Ladenhüter.
    D er neue Morgen kommt mit einem Regenguss daher, als müsste die Stadt noch gründlicher gewaschen werden. An den Fenstern in der Dienststelle Hansastraße sieht der Sandner dicke Tropfen hinabgleiten. Der Himmel ist grau eingefärbt, wie die Stimmung des

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