Der Tod kommt in schwarz-lila
nach zehn Uhr.
Kleinschmidt nickte. »Es war wie bei Grevenstedt. Diesmal gab es keinen Kampf. Den Spuren nach hat er seinem Opfer aufgelauert. Er muss gewusst haben, wann und wohin Lüdke seine Spaziergänge unternahm. Als Lüdke ahnungslos seines Weges kam, brach er aus dem Gebüsch heraus und schlug ihn mit einem stumpfen Gegenstand nieder. Er hat wohl so etwas wie eine Eisenstange benutzt. Danach holte er das Netz hervor und wickelte Lüdke darin ein. Mit dem Seil fesselte er ihn und beförderte ihn ins Wasser. Das Seil machte er an einem Pfosten fest, den er dort tief in den Boden rammte. Das Seil ist übrigens das gleiche wie bei Grevenstedt. Dutzendware. Die Herkunft ist nicht nachvollziehbar. Jeder Baumarkt und jedes Handwerkergeschäft vertreiben diese orange Perlonschnur. Der Überfall hat nicht länger als ein paar Minuten gedauert.«
»Aber wo ist der Hund abgeblieben?«, warf Monika ein.
»Wahrscheinlich hat er auch ihn getötet und ins Wasser geworfen«, erklärte Kleinschmidt. »Die Strömung ist in diesem Teil des Hafens sehr stark. Es kann sein, dass wir ihn noch finden.«
Die Polizeichefin erhob sich. »Meine Damen und Herren, dieser weitere Mord wird die Bewohner unserer Stadt und des Wangerlands endgültig verunsichern. Der Druck auf uns wird noch größer. Ich weiß, es ist nicht die Zeit, nach schnellen Ergebnissen zu rufen. Ich habe dazugelernt. Aber es ist nun an der Zeit, einige Details an die Öffentlichkeit zu bringen. Wir sollten das Kennzeichen und die Beschreibung des Wagens an die Presse weitergeben. Außerdem werde ich morgen früh Kräfte der Bereitschaftspolizei hinzuziehen. Wir werden jedes leerstehende Gebäude und jedes unbewohnte Ferienhaus, jeden Bootsschuppen durchsuchen.«
»Ich weiß nicht, ob das mit dem Wagen eine gute Idee ist«, gab Trevisan zu bedenken.
»Herr Trevisan, unsere Streifen halten nun schon seit mehreren Tagen vergeblich Ausschau nach diesem Fahrzeug. Wir werden die Öffentlichkeit informieren müssen.«
»Gut, dann werden wir es riskieren«, entgegnete Trevisan nachdenklich.
»Ich habe über das Wochenende mit einem Computerprogramm die Videoaufzeichnung aufbereitet und ein neues Phantombild erstellt«, berichtete Kleinschmidt. »Es weist deutliche Abweichungen zu dem bisher veröffentlichten Bild auf. Seine Haare sind länger und heller, außerdem wirkt das Gesicht voller. Ich glaube, es ist einen Versuch wert.«
»Das ist sehr gut, wir geben morgen früh um elf Uhr eine neue Pressekonferenz. Herr Kleinschmidt, kommen Sie bitte um zehn in mein Büro.« Anke Schulte-Westerbeck verabschiedete sich mit dem Hinweis, dass sie morgen einen schweren Tag vor sich hatten.
Die Männer und Frauen vom 1. FK diskutierten noch eine Stunde lang, ehe auch sie nach Hause gingen. Dennoch konnte Trevisan die Theorien von Margot Martinson nicht nachvollziehen. Es musste eine Verbindung zwischen den Mordopfern geben, aber wo war der Ansatzpunkt? In Trevisans Hirn arbeitete es. Es war, als liege ihm die Lösung wie ein lange gesuchtes Wort auf der Zunge, doch es fiel ihm einfach nicht ein.
Als Trevisan nach Hause kam, war es bereits nach Mitternacht, trotzdem schaute er noch bei Paula vorbei. Leise öffnete er die Tür zu ihrem Zimmer. Sie schlief friedlich in ihrem Bett. Ihre blonden Haare umrahmten ihr immer noch kindliches Gesicht. Er hätte gerne mit ihr geredet, sie gefragt, wie der Tag heute für sie verlaufen war, doch dazu war es viel zu spät. Leise schloss er die Tür und ging hinüber in sein Schlafzimmer. Bevor er sich in sein Bett legte, schaute er noch einmal nach draußen. Der Regen hatte aufgehört.
29
Die Zeitungen versuchten einander an diesem Dienstagmorgen mit Schreckensszenarien zu übertrumpfen. Dunkle Schatten lagen über dem Wangerland. Die Schwingen des Todes. In bildhafter Sprache zeichneten die Journalisten die Apokalypse auf ihre Titelseiten. Trevisan ging achtlos am Zeitungskiosk vorbei. Er musste ein Geschenk besorgen. Angela hatte am Wochenende Geburtstag. Beinahe hätte er es vergessen, doch Paula hatte ihn daran erinnert. Als er anschließend in die Peterstraße fuhr, suchte er vergeblich einen Parkplatz in dem weiten Areal. Streifenwagen, Mannschaftstransporter und Motorräder in grün-weißer Lackierung belegten die freien Plätze. Bereitschaftspolizisten in dunkelgrünen Overalls liefen hektisch hin und her. Trevisan war überrascht von diesem Durcheinander am frühen Morgen. Inmitten einer Gruppe von uniformierten
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