Der Tod kommt wie gerufen
Finger sich zum Sicherheitshebel bewegte. Ich roch Waffenöl und altes Schießpulver.
»Verstärkung ist unterwegs«, sagte Slidell.
»Dann werden wir uns beeilen müssen, nicht?« Die Worte kamen schnell wie aus einer Maschinenpistole.
»Das wird nicht funktionieren, Vince.«
Die Mündung glitt nach vorne zum weichen Fleisch unter meinem Unterkiefer.
» Was nicht funktionieren wird, ist, dass ich ins Gefängnis gehe.«
»Gefängnis ist besser als tot sein.«
»Nicht für Jungs wie mich.«
Ich spürte, wie sich das Korn tief in meine Halsschlagader bohrte, spürte, wie mein Blut gegen den Stahl pochte.
»Die Pistole. Sofort.« Stakkato.
» Wir sollten jetzt alle ruhig bleiben.« Slidell hielt die Waffe auf Armeslänge ausgestreckt und warf sie dann in Gunthers Richtung.
»Aufheben !«, befahl Gunther und stieß mich in den Rücken.
Als ich mich bückte, bückte er sich mit mir. Ich roch teures Rasierwasser und schalen Körperschweiß.
Mit zitternden Fingern hob ich die Glock auf und gab sie ihm über meine Schulter. Gunther nahm sie und riss mich am Kragen meiner Jacke hoch.
»Die Handschellen.«
Slidell zog die Handschellen vom Gürtel und warf sie in seine Richtung. Wieder war ich gezwungen, sie aufzuheben.
»Handy.«
Slidell warf ihm das Gerät zu. Gunther kickte es in die Myrten.
»Kommen Sie mit den Händen über dem Kopf auf mich zu.«
Ganz langsam hob Slidell die Arme, verschränkte die Finger und legte sich die Hände auf den Kopf. Dann kam er zentimeterweise auf uns zu.
»Schneller.«
Slidell blieb stehen. Ich sah Wut in seinen Augen. Und noch etwas anderes. Angst.
»Treib keine Spielchen mit mir, Fettsack.« Gunther klang gefährlich nervös.
»Sie haben keine Chance«, sagte Slidell.
»Ach ja?«
Hinter mir hörte ich das Rascheln von Stoff.
Slidells Augen wurden rund.
In meinem Hirn explodierten Lichter.
Dann war da nichts mehr außer Schwärze.
Zuerst wurde mir der Schmerz bewusst: ein Pochen in meinem Schädel. Brennen an den Handgelenken. Ein Stechen in den Schultern.
Die Geräusche: das Surren eines Motors. Das Murmeln von Rädern auf Asphalt. Leises Schlagen und Klappern von Sachen, die um mich herum durcheinandergeworfen wurden.
Schaukeln und Schwanken sagten mir, dass ich mich in einem fahrenden Auto befand.
Ich versuchte, mich aufzusetzen, merkte, dass mir die Hände auf den Rücken gefesselt waren.
Ich öffnete die Augen. Dunkelheit.
Ein neues Gefühl. Übelkeit. Ich schloss die Augen wieder. Schluckte.
Die Erinnerung kam zurück. Evans. Gunther. Slidells schockierter Blick.
Schlussfolgerung. Gunther hatte mich bewusstlos geschlagen und in den Kofferraum eines Autos geworfen.
O Gott. Wohin brachte er mich?
Ein plötzlicher, entsetzlicher Gedanke. War Slidell tot?
Ich lauschte nach Hinweisen. Mein geschundenes Hirn konnte nicht interpretieren, was meine Ohren ihm schickten.
Ich atmete durch den Mund, lag still da und zählte die Links-und Rechtskurven.
Schließlich hielt das Auto an. Türen gingen auf. Ich hörte Männerstimmen. Dann Stille.
Wieder zählte ich, verzweifelt um Orientierung ringend. Sechzig Sekunden. Hundertzwanzig. Hundertachtzig.
Der Kofferraumdeckel sprang auf, und ich wurde in die Höhe gezerrt. Bäume huschten vor meinen Augen vorbei. Ziegel. Säulen.
Mein Magen protestierte. Ich schmeckte Galle und spürte ein Zittern unter der Zunge.
Ein vertrautes Hintertreppchen.
Angst durchzuckte mich. Wir waren am Annex. Warum?
Gunther zog mich aus dem Auto und stieß mich, die Mündung seiner Waffe an meiner Schädelbasis, auf das Treppchen zu.
Ich stolperte vorwärts, versuchte zu verstehen. Suchte verzweifelt nach Details, an die ich mich erinnern, die ich berichten, die ich rekonstruieren konnte.
Hintertür offen. Küchenfenster, die Lichtrechtecke auf den
Rasen warfen. Die Handtasche durchwühlt, der Inhalt verstreut wie vom Wind verwehte Blätter auf dem Gras.
Gunther schubste mich die Stufen hoch. Auf zitternden Beinen betrat ich mein Haus.
Von irgendwo im Haus hörte ich verzweifeltes Klappern und Kratzen. Birdie? Zu laut. Was dann? Ich hatte keine Ahnung. Das Blut hämmerte laut in meinem Schädel.
Gunther blieb stehen und leckte sich die Lippen. Zum ersten Mal sah ich sein Gesicht. Er sah aus wie irgendjemands älterer Bruder, der eines Tennislehrers, eines Predigers in der Kirche. Seine Augen waren grün, huschten aber hektisch hin und her. Die Haare waren haselnussbraun und ordentlich seitlich gescheitelt. Mit einer
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