Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
bleibt zeitlos zurück.
Genau wie im Zirkus. Auch dort war ich vor einem guten Jahr, nach langer langer Pause meinen Vaterpflichten nachkommend, mal wieder als Zuschauer mit von der Partie.
Mir fiel auf: Noch immer langweilen sich alle bei den «Frau-steht-auf-Pferd-und-reitet-im-Kreis-während-Mann-im-weißen-Glitzeranzug-in-der-Manegenmitte-rumpeitscht»-Nummern. Noch immer kommen die Akrobaten mit den tausend Salti und Flickflacks aus Russland und die Clowns heißen Luigi und stolpern über die eigenen zu großen Schuhe.
Die Kirmes und der Zirkus, sie haben so einiges gemeinsam, wie beispielsweise die Schwierigkeit, ihren eigenen Plural zu finden: Kirmesse, Zirkusse oder Zirken? Keine Ahnung …
Kirmes und Zirkus, beide sind so etwas wir der Kegelverein der Kinderwelt. Beständig, dem Zeitgeist trotzend, alle Trends überlebend, und keiner weiß, warum.
Mit diesen Gedanken im Hirn beobachte ich meinen Sohn, wie er im achten Ballwurf-Versuch die erste verrostete Dose trifft. Ich jubele ihm zu, träume gleichzeitig davon, dass ich an der benachbarten Schießbude für Stefanie Assmann eine Portion Zuckerwatte erballere.
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28. Kapitel
A m nächsten Morgen kommt Markus Meirich freudig an meinen Schreibtisch gestürmt.
«Yes», zischt er. «Wir haben eine Spur. Auf Lasse Assmanns Handy ist eine SMS angekommen. Eine klare Drohung.»
Bisher habe ich schläfrig die Ergebnisse der Handball-Bundesliga an meinem Dienst-PC ergoogelt, aber nun bin ich mit einem Schlag hellwach.
«Was für ’ne Drohung?», frage ich.
Markus blickt auf einen kleinen Zettel und liest: «Ein Wort an die Bullen, du kleine Sau, und du bist tot!»
«Das gibt’s doch nicht», stammele ich. «Dann brauchen wir jetzt nur den Absender zu ermitteln, und dann wissen wir, wer Lasse so unter Druck setzt, oder was?»
«So isses. In knapp zehn Minuten kennen wir den Besitzer dieser Handynummer.»
Bereits fünf Minuten später wissen wir Bescheid. Die betreffende Mobilfunknummer ist auf folgenden Namen angemeldet:
Faton Thaqi, wohnhaft in Nidda. Ein Volltreffer.
Ich bitte Teichner, den Namen Faton Thaqi durch den Polizeicomputer laufen zu lassen.
«Na, schau mal einer gugg», ruft Teichner schnell. «Hört euch das mal an, ihr Leut.»
Markus und ich eilen zu ihm.
Teichner trägt vor: «1999 ist das Ehepaar Thaqi mit den beiden Söhnen Mergim und Faton aus dem Kosovo nach Deutschland geflohen. Die Söhne waren damals 12 und 14 Jahre alt. Der jüngere, also der Faton, fiel seit dieser Zeit zweimal wegen Ladendiebstahl auf. Nach dem Ende der Aufenthaltserlaubnis sind nur die Eltern zurück in die Heimat, doch die beiden Jungs sind illegal in Schotten geblieben. Und jetzt ratet mal, wer ihnen eine Zeitlang Kirchenasyl gewährte: ein gewisser Pfarrer Gregor Assmann.»
«Oha», rutscht es mir heraus.
«Na, da hat der Kommunisten-Pfaffe aber mal ’ne richtig gute Tat getan, was? Kommet ihr Mörderlein, kommet all zu mir.»
«Teichner, halt’s Maul», fährt ihn Markus an.
Doch Teichner lässt sich nicht bremsen. «Unser Land ist ja groß genug für all diese Spezialisten. Die machen ja alles bunter, ne?»
Ich versuche seine unglaubliche Blödheit diesmal einfach zu ignorieren, was mir erstaunlich gut gelingt.
«Schau doch mal, was er heute beruflich macht. Steht da was drin?»
«Ock», sagt Teichner
«Was?» fragen Markus und ich gleichzeitig.
«Ock, will meinen Okay, O.k., kapito?»
Markus und ich nicken resigniert.
Teichner scrollt die Seite eine wenig herunter, und wir entdecken die passende Information. Er arbeitet als Kfz-Mechaniker bei «Auto Scholz» in Gedern.
«Und der ältere Bruder, dieser Mergim?»
«Der ist Sozialpädagoge und in Wetzlar im Albert-Schweitzer-Kinderdorf angestellt», antwortet Teichner mit immer leiser werdender Stimme.
«Und was sollen wir jetzt machen, Teichner?», frage ich mit dem sarkastischsten Tonfall, den ich hinbekomme. «Sollen wir den Bruder auch gleich verhaften, damit er nicht alle Kinder in Wetzlar umbringt? Alles Verbrecher, diese Migrationshintergründler, oder?»
Markus grinst, Teichner nicht.
Beide Thaqi-Brüder haben die Vogelsbergschule besucht, lesen wir weiter auf dem Bildschirm. Faton schloss 2003 mit Mittlerer Reife ab, Mergim mit Abitur 2005.
«Wann wurde Ellen Murnau Schulleiterin?»
«2006», antworte ich. «Also drei Jahre, nachdem Faton die Schule verließ. Unwahrscheinlich also, dass er Frau Murnau von daher gekannt hat.»
«Wie auch immer»,
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