Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
geht, zu verdrängen wissen.
Guido und Britta haben uns sofort das «Du» angeboten, was den Abend nicht unbedingt angenehmer macht.
An unseren Apperitifs nippend smalltalken wir ein wenig sinnfrei die Uhr herunter. Ich beobachte Melina, die sich auch nicht so richtig wohlzufühlen scheint. Warum hat sie sich dieses Treffen dann bloß gewünscht? Hält Adrian jetzt gleich offiziell bei mir um ihre Hand an?
Britta ist der Typ Frau, auf den die Männer stehen, wie man so sagt. Ich bin zwar auch ein Mann, doch ihre üppige Oberweite und der ein bisschen zu offensive Ausschnitt samt ein bisschen zu kurzem Rock lassen mich kalt. Es hat etwas Verzweifeltes, wenn vierzigjährige Frauen die gleiche Frisur haben wie meine Tochter.
Guido schätze ich auf Anfang fünfzig. Seine durchtrainierten Oberarme lassen auf regelmäßige Fitnessstudio-Besuche schließen.
Plötzlich klatscht er in die Hände. «Auf, Henning, ab in die Küche!»
«Wie?» Ich lache wieder gekünstelt, langsam bekomme ich Übung darin.
«Ja, wir dachten, wir Männer kümmern uns mal ums leibliche Wohl, und die Damen lassen wir Whiskey trinken und Zigarren rauchen, haha …»
«Haha», mache auch ich.
Er meint es ernst. Mit entschlossenen Schritten schreitet er in Richtung Küche. Ich folge ihm, nicht ganz so entschlossen. Auch Adrian kommt mit. Klar, er ist ja auch ein «Mann». Franziska blinzelt mir mitfühlend zu.
«Aaach, ich liebe Kochen! Komme leider viel zu selten dazu. Aber wenn Freunde kommen, dann findet man mich immer wieder in der Küche, was Adrian?»
«Jou!»
Vater und Sohn klatschen sich ab. Guido jongliert mit drei Zwiebeln, wirft sie dabei einzeln seinem Sohn zu, der damit weiter jongliert.
«Haha», bringe ich erneut leise hervor. Guido hat mich in seinen Fängen, ich kann ja nicht einfach weglaufen.
«O.k., Adrian, bist du bereit?», ruft er dann seinem Sohn zu.
«Jou!», antwortet der wieder.
«Auf die Plätze, fertig, los!»
Guido drückt auf die Küchenuhr, und AA beginnt wie ein Besessener mit dem Schneiden der Zwiebeln.
«Sein Rekord ist: drei Zwiebeln in 42,4 Sekunden …»
«Mit Schälen!», japst Adrian und hackt mit verbissenem Gesicht auf den unschuldigen Knollen herum.
«Ich weiß», lacht Guido. «Wir sind schon ein bisschen verrückt, was?!»
«Och, was, nö … wieso?»
«Aber das ist halt so unsere Art, was Adrian?»
«AUTSCH, SCHEISSE!», kreischt der Filius plötzlich, und ich sehe, wie Zwiebel Nr. 3 eine leicht rötliche Farbe annimmt.
Adrian aber hackt wie wild weiter, bis er auch die dritte Zwiebel fertig bearbeitet hat.
«42,1 Sekunden», sagt Guido mit Blick auf die Uhr.
«Yessss», jubelt Adrian.
«Aber in den Finger schneiden gibt nun mal eine Sekunde Abzug.»
«Was???», brüllt Adrian.
«So sind die Regeln.»
Adrian reißt vor Wut die Augen auf, zischt «Ach, leck mich» und pfeffert die blutdurchtränkte Zwiebel quer durch die graue Edelstahlküche gegen die Geschirrspülmaschine. Dann stürmt er aus der Küche.
Guido verfolgt den Abgang schmunzelnd. «Der hat’s schon drauf, der Sohnemann. Ein ganz helles Kerlchen, ganz der Papa, haha. Nur mit den Nerven, da hapert’s unter Druck manchmal noch ein bisschen. Da hilft dieses Spiel. Er ist schon viel besser geworden, die Ausbrüche waren vor ein paar Jahren noch viel heftiger.»
«Hmm», mache ich.
«Besonnenheit unter Extremdruck. Genau das muss er lernen, später im Haifischbecken des Lebens, oder? Das weißt du als Polizist doch am besten.»
Ich nicke stumm.
«Aber, Mensch, ich rede die ganze Zeit von mir. Jetzt bist du mal dran. Wie kommst du denn so mit meinem Sohn klar? Er gehört ja nahezu schon zu eurer Familie, was?»
Ich kratze mich am Kopf. «Gut, ist ja ein netter, intelligenter Kerl, ne?», sage ich und schäme ich mich sogleich für meine angepasste Unterwürfigkeit.
«Passsta à la Guido», knödelt er nun durch den Raum. «Du wirst es lieben, wie meine anderen Freunde auch. Kannst du schon mal die Pastinaken pürieren?»
«Wen … kann ich was?»
So langsam reicht es mir. Alles an Guido ist Show. Alles in diesem Haus ist Show. Ich habe das Gefühl, ich bin Kleindarsteller in seiner Comedy-Soap, doch leider ist alles reeller, als es mir lieb sein kann. Guido doziert über sein Olivenöl, das, das er sich immer von Freunden aus der Toscana mitbringen lässt, er referiert über die besten Küchenmesser und lässt mich blind Weine kosten.
«Franzose, Chilene oder Italiener? Na?»
Ich rate durch Zufall
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