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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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da zu sein.”
    “Wie können wir für sie da sein, wenn sie in Colorado ist?”, gab ich zu bedenken.
    “Ich hoffe, dass sie sich eines Besseren besinnt”, erwiderte Lucy.
    Ich dachte an all die Colleges, die wir besucht hatten. Das nervenaufreibende Vorspielen. Das Warten auf Zusagen. Ihre Aufregung, als sie in Oberlin angenommen wurde. “All ihre Pläne …”, begann ich, doch meine Stimme erstarb. Es gab nicht viel zu sagen über diese Pläne. Sie hatten jetzt keine Bedeutung mehr.
    “Ich weiß …” Lucy zögerte, bevor sie weitersprach. “Kommen wir zu einem anderen schwierigen Thema. Hast du mit Mom über Neds Brief gesprochen?”
    “Ja.” Meine Stimme klang hohl. Ich fühlte mich völlig ausgelaugt.
    “Oje”, meinte Lucy. “Was hat sie gesagt?”
    “Sie wurde ganz ruhig. Sie ging ins Haus und legte sich hin. Ich machte mir Sorgen und sah nach ihr, bevor ich ging, doch sie sagte, sie wolle nur ein bisschen schlafen.” Ich blickte auf die Uhr. “Ich wollte sie in ein paar Minuten anrufen, doch ich bin noch zu aufgewühlt, um es jetzt zu tun.”
    “Ich übernehme das”, bot Lucy an.
    “Danke”, sagte ich, bevor ich das Thema wieder auf meine Tochter lenkte. “Shannon könnte doch auch nach achtzehn Wochen noch eine sichere Abtreibung haben, oder?”
    “Hm, ich kann kaum glauben, das ausgerechnet von dir zu hören.” Lucy holte tief Luft. “Es ist alles anders, wenn es um dein eigenes Kind geht, oder?”
    “Halt mir keine Vorträge, okay? Könnte sie oder nicht?”
    “Ja”, antwortete sie. “Aber das will sie nicht.”
    “Woher weiß sie denn, was sie will?”, ereiferte ich mich. “Sie denkt nicht logisch. Nichts davon ergibt einen Sinn. Glaubst du, dass Glen es weiß?”
    “Sie sagte mir, sie würde es ihm sagen, nachdem sie mit dir gesprochen hat. Also wird er es wohl bald wissen.”
    “Wahrscheinlich wäre es sinnvoll, er und ich reden mal miteinander.”
    “Gute Idee”, fand Lucy. “Ich werde jetzt Mom anrufen. Bist du so weit okay?”
    “Ich weiß es nicht.” Ich seufzte. “Ich melde mich später noch einmal.”
    Als ich aufgelegt hatte, begann ich Glens Nummer zu wählen, besann mich aber eines Besseren. Ich hatte jetzt keine Lust, seine Stimme zu hören oder seiner gefassten und unvermeidlich leidenschaftslosen Reaktion auf Shannons Schwangerschaft zu lauschen. Außerdem wollte ich ihm die Neuigkeit nicht aus meiner Perspektive eröffnen. Sollte er es doch von Shannon erfahren, genauso wie ich auch.
    Ich hob den Hörer und wählte Ethans Nummer. Seine Stimme war die einzige, die ich hören
wollte
.
    “Shannon ist schwanger”, platzte ich heraus, als er sich meldete.
    “Oh nein!”
    Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, auch von Tanners Alter und den möglicherweise verpfuschten College-Plänen, und es tat mir unendlich gut, mir bei jemandem Luft zu machen, der einfach nur zuhörte. Ethan schwieg, bis ich mit meinen Ergüssen am Ende angelangt war.
    “Ich weiß genau, wie du dich fühlst”, sagte er dann.
    “Wirklich?”
    “Oh ja”, bestätigte er. “Abby wurde schwanger, als sie sechzehn war. Ich denke, sie hätte nichts dagegen, dass ich dir das erzähle.”
    “Ach, Ethan.” Ich fühlte mit ihm und spürte auch sein Mitgefühl. “Wie hat sie sich entschieden?”
    “Sie hat das Baby zur Adoption freigegeben.”
    Adoption
. Natürlich. Das ergab am meisten Sinn. Das war es, was Shannon tun sollte.
    “Vielleicht würde Shannon das in Erwägung ziehen”, sinnierte ich.
    “Ich wette, Abby würde ihr gern davon erzählen, wenn du das möchtest. Es war eine offene Adoption, aber so schrecklich die ganze Erfahrung auch war – und es war für uns alle sehr hart –, hat sie sich doch als gute Entscheidung erwiesen. Sie hat Kontakt mit ihrem Sohn, der inzwischen fast zehn ist. Ab und an bekomme sogar ich ihn zu sehen. Seine Adoptiveltern sind großartige Menschen.”
    Ich dachte an Oberlin. Auch wenn Shannon das Baby zur Adoption freigab, würde sie im Herbst nicht anfangen können. Ich fragte mich, ob sie im Frühjahr starten konnte oder bis nächsten Herbst würde warten müssen.
    “Ich spreche mit ihr darüber”, versprach ich, wobei mir klar war, dass das Gespräch weder leicht noch willkommen sein würde.
    “Ich glaube, du brauchst mich dort oben, um dich zu umarmen”, sagte er.
    Er hatte recht. Genau das brauchte ich.
    “Könntest du kommen?”, fragte ich und kam mir ein bisschen schamlos vor. Ich erinnerte mich daran, wie er meine Hand auf

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