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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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Mulde, wo sein Hals begann. Die Muskeln in meinem Bauch zogen sich zusammen. Das hatte ich so lange nicht mehr gespürt, dass ich einen Moment brauchte, um das Gefühl als Verlangen zu identifizieren.
    Oh
, dachte ich,
das ist sehr merkwürdig
.
    “Ich hatte nach deiner Mutter gefragt”, kehrte ich zu der relativen Sicherheit unseres Gesprächs zurück.
    “Richtig”, sagte er, nachdem er den Bissen seines Hamburgers hinuntergeschluckt hatte. “Sie starb letztes Jahr. Das ist mit ein Grund, warum ich mir Sorgen um meinen Vater mache. Er war am Boden zerstört wegen Mom, und Neds Tod hat ihn ebenfalls sehr getroffen. Ich möchte gern, dass er zu einem Psychologen geht, jemandem, der mit älteren Menschen arbeitet, doch er akzeptiert Hilfe ebenso wenig, wie Ned das getan hat.” Er führte eine Pommes zum Mund und legte sie dann wieder ab. “Ehrlich gesagt glaube ich, dass er sterben will.”
    “Ist er krank?”
    “Nicht krank. Nur alt. Nur alt und sehr traurig. Er lebt in einer Altersresidenz in Lakewood. Ich erzählte ihm, dass ich heute mir dir essen gehe, um seine Reaktion zu testen. Er wirkte überrascht, doch das war alles. Es ist so, als ob er es alles nicht richtig mitbekommt. Als ob er nicht weiß, wer du bist.” Er aß die Pommes. “Leben deine Eltern noch?”
    “Mein Vater starb zwei Jahre nach Isabels Tod an einem Herzinfarkt”, antwortete ich. Ich musste nicht extra erwähnen, dass der Verlust seiner Lieblingstochter seinen Tribut gefordert hatte. “Meine Mutter lebt noch, allein, und es geht ihr sehr gut. Sie arbeitet bei McDonald’s.”
    Er lachte. “Sie hatte immer eine unglaubliche Energie”, erinnerte er sich.
    Ich knabberte an meinem Shrimpssalat. “Ich glaube”, sagte ich langsam, “dass wir nicht nur an deinen Vater und meine Mutter denken müssen, sondern auch an die Familie von George Lewis, oder?”
    Er drückte die Serviette an seine Lippen. “Selbstverständlich”, erwiderte er. “Und ich fühle mich nicht wohl damit. Doch Lewis ist tot und –”
    “Das macht mich so unendlich traurig”, unterbrach ich ihn kopfschüttelnd. “Ich wusste immer, dass er unschuldig war, und konnte doch nichts tun.”
    Ethan schwieg. Langsam hob er den Hamburger, um abzubeißen.
    “Hat Ned dir nicht irgendwann mal etwas gesagt, das darauf schließen ließe, dass er mehr wusste, als er vorgab?”
    Ethan schüttelte den Kopf, während er kaute und schluckte. “Wir haben nie darüber gesprochen. Ich erinnere mich, dass meine Eltern seine Veränderung damals auf das schoben, was mit Isabel passiert war, doch er und ich haben niemals darüber gesprochen.” Er schob den Strohhalm in seinem Glas von einer Seite zur anderen. Seine Fingernägel waren kurz und sauber, seine Hände wohlgeformt. “Ned und ich waren sehr verschieden”, fuhr er fort. “Wir hatten unterschiedliche Interessen und … auch eine andere Sicht auf das Leben. Ich neigte dazu, das Glas als halb voll zu betrachten, wohingegen Ned normalerweise eher deprimiert war.”
    “Was ist mit deinem Vater?”, fragte ich. “Hat er seine Version davon, wo Ned in jener Nacht war, jemals geändert?”
    Ethan lehnte sich zurück und sah mich aus schmalen Augen an. “Julie, bitte spiel hier nicht Nancy Drew, die Kinderdetektivin”, bat er. “Betrachte das hier nicht als eine Geschichte aus einem deiner Bücher. Das hier ist das wirkliche Leben. Du sprichst von meinem Vater und meinem Bruder.”
    Seine Reaktion überraschte mich, und ich fühlte Ärger in mir hochsteigen.
    “Was ist mit
meiner
Familie?”, hielt ich entgegen und bemühte mich, dabei ebenso ruhig zu klingen wie er. Ich erkannte die Kraft in seinem gelassenen Verhalten. “Auch ich möchte die Sache am liebsten auf sich beruhen lassen, Ethan. Glaubst du, ich möchte Isabels Tod noch einmal durchleben? Nein. Der Gedanke allein schreckt mich. Doch wir müssen wissen, was wirklich geschehen ist. Wir alle. Und wenn du den Brief nicht zur Polizei bringst, habe ich keine andere Wahl, als ihnen die Kopie zu schicken, die Abby mir gab.”
    Einige andere Gäste hatten beim Essen innegehalten und starrten mich an. Offenbar war meine Stimme doch nicht so ruhig geblieben, wie ich dachte.
    “Es tut mir leid”, lenkte er ein. “Du hast recht. Unser beider Familien stecken in dieser Sache drin. Und du hast ebenso recht, dass die Behörden davon erfahren müssen. Doch würde es wirklich etwas ändern, wenn wir noch ein bisschen warten? Bitte.”
    “Ich möchte nicht warten,

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