Der Tod meiner Schwester
Ich habe so viele Dinge falsch gemacht …” Er blickte aus dem Fenster zum Parkplatz, wo ein paar Jungens auf ihren Skateboards um die Wagen herumfuhren. “Zunächst einmal war ich feige und bigott und habe die Vorurteile meiner Eltern zu meinen eigenen gemacht. Ich überließ ihnen die Macht über mich. Ich hätte bei dir bleiben sollen, mich in aller Öffentlichkeit zu dir bekennen sollen. Ich war ein Dummkopf.”
Wow. Wollte er alle seine Vergehen mir gegenüber der Reihe nach aufzählen und für jedes einzelne um Entschuldigung bitten? Das würde ich nicht aushalten. Um die Wahrheit zu sagen: Seine Worte reichten einfach nicht. Nichts würde ausreichen. Und ich bedauerte es nicht, dass er mit mir Schluss gemacht hatte, als ich so jung und dumm war; ich bedauerte es nur, dass ich es zugelassen hatte, die Beziehung im Geheimen weiterzuführen. Doch mir wurde klar, dass ich ihn jetzt nur loswerden konnte, wenn ich seine Entschuldigung akzeptierte. Wenn das seinen Schmerz linderte, würde ich es einfach tun.
“Okay.” Ich gab mir einen Ruck. “Danke, dass du mir das gesagt hast.”
Er wirkte überrascht und lächelte dann. “Du bist schön”, sagte er. “Ich meine … Ich versuche nicht … zu flirten.”
Das ist gut, dachte ich. Ein alter Mann, der flirtet, ist kein schöner Anblick.
“Ich meine”, stammelte er, “dass du nicht nur äußerlich schön bist, sondern auch ein schöner Charakter. Das warst du immer. Und ich … ich bin mit deiner Freundlichkeit und Großzügigkeit nicht gut umgegangen, nicht wahr, und –”
“Ross, hör bitte auf.” Ich spürte, wie der Egg McMuffin vom Frühstück in meinem Hals hochstieg. Ich würde das hier nicht durchhalten. “Unsere Unterhaltung ist vorbei. Ich vergebe dir sämtliche Verfehlungen an mir, seien sie eingebildet oder real. Und jetzt kehr bitte wieder in dein eigenes Leben zurück. Ich muss wieder an die Arbeit.”
Ich stand auf und spürte, wie er mir hinterherblickte, als ich durch das Restaurant zu den Waschräumen ging. Ich musste fort – nicht nur von ihm, sondern auch von den unvermeidlichen Fragen, die mich bei meinen Kolleginnen erwarten würden. Ich spritzte mir Wasser ins Gesicht und schluckte immer wieder, damit der McMuffin blieb, wo er hingehörte. Als ich den Waschraum verließ, bemerkte ich, dass Ross gegangen war und sein Tablett mit dem unberührten Burger und dem noch fast vollen Kaffeebecher zum Abräumen stehen gelassen hatte.
1939
Ich war nie in der Lage, meinen Eltern von der Trennung von Ross zu erzählen. Wie konnte ich ihnen sagen, dass Ross’ Eltern – unsere direkten Nachbarn – ihrem Sohn verboten hatten, mit mir auszugehen, weil ich die Tochter einer italienischen Einwanderin war? Wie sehr das meine Mutter verletzt hätte! Also gaukelte ich ihnen vor, dass wir beschlossen hätten, jeder von uns würde eine Weile mit anderen ausgehen, um sicher zu sein, dass wir füreinander bestimmt waren. Meine Eltern fanden das merkwürdig; sie hatten uns als ideales Paar gesehen. Einige Male ertappten sie mich, wie ich weinte, und stellten viele Fragen, um sicherzugehen, dass die Trennung meine Idee war und nicht nur von Ross ausging. Ich versicherte ihnen, dass wir uns einig gewesen seien.
Ich gab Ross seinen Ring zurück, und wenn die anderen in unserer Clique sich überrascht äußerten, sagten wir, dass wir einfach erkannt hätten, noch nicht bereit zu sein für eine feste Beziehung. Meine Freundinnen glaubten diese Ausrede nicht ganz, und obwohl ich ihnen normalerweise alles anvertraute, konnte ich ihnen in diesem Fall nicht die Wahrheit sagen. Ross hätte dann schwach und oberflächlich gewirkt. Da ich ihn noch immer liebte, wollte ich sein Image in unserem Freundeskreis nicht aufs Spiel setzen.
Doch es tat weh, in der Clique mit ihm zusammen zu sein und ihn nicht berühren zu dürfen. Ich beobachtete ihn, wie er mit anderen Mädchen sprach, und dachte über deren Vorfahren nach. Ich sah seine Hände, mit denen er sich durchs Haar fuhr oder eine Zigarette anzündete, und ich sehnte mich danach, diese Hände wieder auf meinem Körper zu spüren.
Eines Abends bei Jenkinson’s tanzte ich gerade mit einem anderen Jungen, als Ross mich abklatschte. Er legte seinen Arm um meine Taille und zog mich an sich. Die Band spielte Glenn Millers “Moon Love”. Ross war ein guter Tänzer, doch meine Gedanken kreisten weniger um den Tanz. Es war seine Nähe, der vertraute Duft seines Rasierwassers, der mich mit Sehnsucht
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