Der Tod soll auf euch kommen
sprichst ja über mich, als sei ich schon ein Greis, mein junger Krieger.« Seine grauen Augen funkelten wie Stahl, als er Capa ansah. »Du bist also jetzt Befehlshaber in Cashel, ja? Nun, das Kommando ist nicht ausschließlich eine Sache der Muskeln, junger Freund. Wollen wir hoffen, daß dein Verstand genau so beweglich ist wie dein Körper.«
»Ich kann mich damit rühmen, Colgú bisher keinen Grund zur Beschwerde gegeben zu haben«, erwiderte Capa.
»Das freut mich«, versicherte ihm Aona ruhig. Dann sah er rasch zu Fidelma und zwinkerte ihr zu. »Du zitierst doch so gern Publilius Syrus. Hat er nicht gesagt, daß der Abstand zwischen dem Ruhm eines stolzen Mannes und seiner Schande nur ganz klein ist?«
Er zitierte die Zeilen auf Latein, und Capa verstand sie offensichtlich nicht. Fidelma versuchte nicht zu lächeln, denn sie wußte, daß sich Aona damit über etwas lustig gemacht hatte, was sie für Capas Schwäche hielt – nämlich dessen Arroganz. Sie drehte sich um und gab Capa und seinen Männern zu verstehen, daß sie Platz nehmen und etwas zu Trinken bestellen sollten. Eadulf und sie gingen zum Feuer. Der Wirt brachte den drei Kriegern einen Krug mit rotbraunem Bier, das man
leann
nannte und das aus Roggen gebrautwurde, und ein paar irdene Trinkbecher. Gierig stürzten sie sich darauf. Fidelma winkte Aona zu sich hinüber.
»Ehe wir von deiner Suppe und deinem berühmten
corma
kosten, sag uns bitte, ob du an diesem Weg etwas Ungewöhnliches bemerkt hast. Du mußt wissen, daß …«
Aona unterbrach sie mit einem Kopfschütteln.
»Du brauchst mir nichts zu erklären, Lady. Ich habe von eurem Unglück gehört. Wenn es etwas gibt, was ich tun kann, stehe ich gern zur Verfügung. Es sind nur wenige Reisende die Straße von Cashel entlanggekommen.«
Fidelma blickte ihn dankbar an.
»Wir versuchen, irgendeinen Anhaltspunkt zu finden«, erklärte sie. »Irgendeinen Hinweis auf den Aufenthaltsort meines Kindes. Ich möchte ein paar Pilger befragen, die hier vorbeigekommen sein müssen.«
Aona strich sich mit der Hand das Haar nach hinten.
»Pilger? Sie haben sich zum Glück nicht in die Nähe meiner Gaststube gewagt, wofür ich, um die Wahrheit zu sagen, ein Dankgebet gemurmelt habe.«
»Aus welchem Grunde?« fragte Fidelma überrascht.
»Die Pilger zogen weiter westwärts nach Imleach. Doch einer von ihnen, der letzte in der Gruppe, trug die Glocke der Leprakranken, um vor seinem Auftauchen zu warnen. Ich beobachtete, wie sie die Furt durchquerten und, ohne anzuhalten, durch die Siedlung gingen, worüber alle erleichtert waren, wie ich bemerkte.« Er hob eine Hand. »Bitte keine Belehrungen über Barmherzigkeit, Lady. Ich bin genauso barmherzig wie jeder andere auch, und dennoch war ich dankbar, daß sie mit dem Aussätzigen vorbeizogen und weder um Almosen noch um Gastfreundschaft baten.«
»Und du hast gesehen, wie sie weiterliefen?« wollte Eadulfnoch einmal bestätigt haben. »War einer von ihnen klein oder untersetzt – vielleicht ein Kind oder ein Jugendlicher?«
»Ich habe sie nur von weitem gesehen. Außerdem trugen sie lange Umhänge und Kapuzen. Möglicherweise war der mit der Glocke ein wenig kleiner als die anderen. Das war nur schwer zu erkennen. Doch ein Baby hat niemand getragen. Die ganze Woche über war nur wenig los auf der Straße, Lady. Kaum mehr als ein Dutzend Reisende, und die Hälfte davon kannte ich. Von ihnen erfuhr ich vom Verschwinden deines Kindes. Ein umherziehender Kräutersammler mit seiner Frau und zwei Babys auf einem Fuhrwerk erzählte mir zuerst davon. Ich war gerade am Fluß angeln, als ich sie bemerkte. Sie kamen von Norden, aus Richtung Cappagh, und waren bei der Brücke auf die Straße von Cashel gelangt.«
»Und wann war das?« wollte Eadulf wissen.
»Vor vier oder fünf Tagen.«
»Du sagst, sie hatten zwei Babys dabei?«
Aona nickte.
»Ist wohl unwichtig«, erklärte Fidelma. »Ist sonst noch jemand vorbeigekommen? Irgendwelche anderen Fremden?«
»Nur noch zwei. Kurz bevor der Kräutersammler mit seiner Frau auftauchte, ritten hier zwei Mönche auf guten Pferden vorbei. Der eine kam aus dem nördlichen Königreich und begleitete einen Fremden aus einem fernen Land hinter den Meeren. Dieser war ganz anders als die ausländischen Mönche, die ich bisher gesehen hatte. Zuerst hatte ich vermutet, er sei Grieche, weil ich schon mehreren solcher Mönche auf ihrem Weg nach Imleach begegnet war. Aber er glich eigentlich doch nicht einem Griechen
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