Der Tod soll auf euch kommen
nun auf eine kleine Anhöhe, und von da aus führte sie ihr Weg zu einem anderen breiten Fluß. An dessen beiden Uferseiten lag die Siedlung, die sich um den Brunnen von Ara gebildet hatte und durch viele seichte und gut passierbare Untiefen verbunden war. Das Wasser reichte den Pferden kaum bis an die Fesseln. Vor einer Schenke genau an einer Furt hielten sie an.
Ein junger Bursche, kaum älter als vierzehn Jahre, öffnete die Tür zur Gaststube und trat heraus, um sie zu begrüßen.
»Willkommen, ihr Reisenden. Seid willkommen bei …«
Da entdeckte er plötzlich Fidelma und Eadulf, und sein Mund verzog sich zu einem breiten kindlichen Lächeln.
»Sei gegrüßt, Adag.« Fidelma lächelte ebenfalls, als sie sich von ihrem Pferd schwang. »Alles in Ordnung?«
»Ja, Lady. Willkommen. Bruder Eadulf, herzlich willkommen. Wir freuen uns über euren Besuch.«
Nun lächelte auch Eadulf und fuhr mit seiner Hand durch Adags zersaustes Haar.
»Schön, dich wiederzusehen, Adag. Seit letztem Mal bist du sehr gewachsen.«
Der Junge richtete sich auf. Er glich nur noch wenig dem Elfjährigen, den Eadulf einst am Ufer getroffen hatte und der versucht hatte, eine zappelnde Forelle an seiner Angel aus dem Wasser zu ziehen.
»Wie geht es deinem Großvater, Adag?« fragte Fidelma, als ihr der Junge die Zügel ihres Pferdes abnahm. Rasch griff er noch die Zügel der anderen Pferde.
»Er ist drin, Lady. Er wird sich freuen, euch zu sehen. Ich werde die Pferde in den Stall führen. Mein Großvater wird sich um euch kümmern. Werdet ihr eine Weile bleiben? Ich kann dann eure Pferde versorgen.«
Fidelma schaute zum Himmel auf, den gerade ein Blitz erhellte. Sie blinzelte und zählte leise. Ehe der Donner folgte, hatte sie bis vier gezählt.
»Das Gewitter ist schon sehr nah«, erklärte sie resigniert. »Wir werden es wohl hier abwarten müssen. Wie lange wird das deiner Meinung nach dauern, Adag?«
Der Junge schaute mit ernstem Blick zum Himmel empor.
»Ungefähr in einer Stunde ist es vorbei. Genügend Zeit für eine Schüssel Suppe und einen Becher vom
corma
meines Großvaters. Ich werde derweil die Pferde füttern und trockenreiben.«
Capa hatte die ganze Unterhaltung über geschwiegen, doch nun sagte er: »Meine Männer können sich selbst um ihre Pferde kümmern …«
Fidelma hob eine Hand. »Adag kann das übernehmen, Capa. Er ist sehr tüchtig. Kommt mit hinein, er wird schon damit fertig.«
Und sie trat ins Innere der Gaststube. Dort war es dunkel,ein eigenartiges tanzendes Licht kam vom Feuer her. Im ganzen Raum duftete es nach Hammelsuppe, die in einem großen Topf über dem Feuer vor sich hin köchelte.
Ein alter Mann stellte gerade Trinkbecher auf den Tisch. Als er die Neuankömmlinge erkannte, verschlug es ihm beinahe die Sprache.
»Hallo, Aona. Wie geht es dir?«
»Besser, da ich dich nun sehe, Lady. Und unseren lieben sächsischen Freund, Bruder Eadulf. Seit eurem letzten Besuch hier war das Leben recht ruhig.«
»Gut, ich bete dafür, daß es auch weiterhin so bleiben möge, Aona«, erwiderte Fidelma. »Friede ist besser als Streit, nicht wahr?«
Capa fühlte sich ein wenig ausgeschlossen. Geringschätzig beäugte er die Vertrautheit zwischen Fidelma und dem Gastwirt.
»Los, Wirt, hol uns zu essen und zu trinken«, sagte er laut und bestimmt.
Fidelma drehte sich zu ihm um, und nur Eadulf sah, daß kurzzeitig Verärgerung in ihrem Gesicht aufblitzte.
»Aona, ich möchte dir Capa vorstellen. Capa hat nun den Posten, den du einst innehattest.«
Capa begriff nicht recht, er errötete und fühlte sich von Fidelma getadelt. Er sah den Gastwirt eindringlich an, da erst ging ihm auf, was Fidelma gesagt hatte.
»Bist du etwa der Aona, der zu Zeiten meines Großvaters Befehlshaber der königlichen Leibgarde von Cashel war?« erkundigte er sich überrascht. »Jener Aona, von dessen Taten und Schlachten noch heute gesprochen wird?«
Caol und Gormán, die hinter Capa standen, blickten den alten Gastwirt voller Ehrfurcht und Respekt an. Beide warennoch jung und voller Stolz, den goldenen Halsring der Leibgarde des Königs von Cashel zu tragen. An den unzähligen Abenden, an denen sich die Krieger um ein wärmendes Feuer scharten, hörten sie viel von den Taten und der Tapferkeit der großen Männer, die vor ihnen zu Ruhm gekommen waren und denen sie nacheifern wollten.
Der Alte amüsierte sich über ihre Blicke.
»Ich bin Aona, einst Befehlshaber der königlichen Leibgarde«, entgegnete er. »Doch du
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