Der Tod soll auf euch kommen
etwas für bare Münze nehmen, ohne es überprüft zu haben. Das ist ein Grundsatz der Brehons.«
»Einer von Brehon Morann?« fragte Eadulf mit spitzer Zunge. »Ich weiß. Nun, damit kommen wir nicht weit. Dieser Aussätzige ist uns über die Straße nach Westen entwischt. Vielleicht ist er die Person, die Sárait die Nachricht überbracht hat, vielleicht auch nicht. Und vielleicht hat er mit dem Mord und der Entführung zu tun, vielleicht auch nicht. Was machen wir als nächstes?«
Aus dem dunklen Raum kam ein trockenes Husten. Sie hatten Bruder Madagan ganz vergessen.
»Wenn ich vielleicht etwas vorschlagen dürfte?« Der Verwaltertrat auf sie zu. »Ich glaube, daß ihr als erstes eine Erfrischung zu euch nehmen und dann die Nacht hier verbringen solltet, ehe ihr weiterreitet. Es wird schon dunkel.«
Fidelma lächelte ihn erschöpft an.
»Eine gute Idee, Bruder Madagan. Heute können wir nicht mehr gut nachdenken, wir sind einfach zu müde. Wir werden uns stärken und uns zur Kontemplation zurückziehen.«
Bruder Madagan wandte sich zur Tür um.
»Ich werde euch einen Raum herrichten lassen«, sagte er. »Die Krieger, die euch begleiten, können im Schlafsaal für Gäste übernachten. Wollt ihr euch noch waschen? Bald wird die Glocke zum Abendessen läuten.« An der Tür zögerte er und drehte sich um. »Ich habe zufällig mitbekommen, daß ihr euch für einen Zwerg interessiert.«
»Für einen bestimmten Zwerg«, erwiderte Fidelma kurz. »Warum?«
Bruder Madagan machte eine etwas hilflose Geste.
»Vor ein paar Tagen zog eine Gruppe von
drúth
durch die Stadt, darunter befanden sich auch Kleinwüchsige.«
» Drui
?« erkundigte sich Eadulf. Er hatte das Wort nicht richtig verstanden und glaubte, daß der Verwalter Druiden gemeint hatte.
Bruder Madagan schüttelte den Kopf.
»Nein,
drúth
– Narren, Jongleure und Spielmänner. Wandernde Spielleute, die mit Musik, Liedern, Geschichten und akrobatischen Kunststücken das Volk unterhalten.«
»Wann genau sind sie hier aufgetaucht?« wollte Fidelma wissen. »Vor dem Eintreffen der Pilger oder danach?«
»Oh, das war am Tag zuvor, glaube ich. Sie gaben abends eine Vorstellung in der Stadt und sind dann wieder aufgebrochen. Einer unserer Brüder war dort und erzählte mir,daß sie die Geschichte von Bebo und Iubdán gezeigt hätten, in der sie all ihre unterschiedlichen Talente unter Beweis stellen konnten.«
»Mit der Geschichte haben sie eine gute Wahl getroffen«, stimmte ihm Fidelma zu. »Doch die kleinwüchsige Person, die wir suchen, ist nach allem, was wir über sie erfahren haben, ein leprakranker Mönch.«
Bruder Madagan zuckte mit den Schultern. »Es war nur so ein Gedanke. Es hieß, daß sie weiter zum Schiffsberg wollten. Dort ist morgen Jahrmarkt. Das ist nicht weit von hier nach Westen.«
»Ich kenne den Ort. Ein entfernter Cousin von mir ist dort Stammesfürst. Ich danke dir für diesen Hinweis.«
Als sie später in ihrer Unterkunft waren, fragte Eadulf: »Was meintest du damit, daß die Geschichte von Bebo und Iubdán eine gute Wahl gewesen sei?«
Fidelma kämmte gerade ihr Haar und hielt inne.
»Es war gut, daß Zwerge diese Geschichte spielten. Das ist ein sehr altes Märchen. Iubdán war der König der Faylinn …«
»Ich habe schon von vielen Völkern dieses Königreiches gehört, aber von den Faylinn noch nie«, unterbrach Eadulf sie.
»Wir nennen sie das kleine Volk, es sind kleinwüchsige Menschen, die in einer Parallelwelt leben. Die Geschichte ist folgende: Iubdán will nach Emain Macha, der Hauptstadt des Königreiches von Ulaidh reisen. Seine Frau Bebo soll ihn begleiten. Da fällt Iubdán dummerweise in den Haferbrei, der für das Frühstück des Königs von Ulaidh, Fergus mac Léide, zubereitet wurde. Es gelingt ihm nicht, aus der Schüssel herauszukommen,und er wird von Fergus gefangengenommen. Fergus aber verliebt sich in Bebo, die ihn anfleht, ihren Mann freizulassen. Bebo ist sehr hübsch, und so haben sie eine Affäre, während ihr Mann weiterhin eingesperrt bleibt. Bebo und Iubdán müssen ein Jahr und einen Tag lang bei Fergus ausharren, bis er ihnen unter einer Bedingung die Freiheit anbietet. Sie sollen ihm das geben, was Iubdán am meisten schätzt.«
»Was da wäre?« fragte Eadulf.
»Ein Paar Zauberschuhe, mit denen der König genauso leicht über Wasser laufen kann wie über Land.«
»Und haben sie ihre Freiheit wiedererlangt?«
»Ja, nach einem Jahr und einem Tag …«
Fidelmas Stimme brach ab.
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