Der Tod soll auf euch kommen
wenig verlegen: »Eadulf ist gestern weggeritten und hat eine Nachricht hinterlassen, daß er einer Spur folge, die zur Klärung des Falls beitragen könnte.«
»Wo ist er hin?«
»Er ist zur Abtei von Colmán aufgebrochen.«
»Ohne Eskorte? Da muß er doch durch das Gebiet der Uí Fidgente«, sagte Gormán.
Fidelma lächelte angestrengt. »Ich glaube, Eadulf wird den Weg auch ohne Eskorte finden.«
Gormán pfiff durch die Zähne.
»Mag ja sein, aber in diesen unruhigen Zeiten hätte er besser einen Krieger mitnehmen sollen.«
»Ich mache mir keine Sorgen. Eadulf schlägt sich auch allein durch«, erwiderte Fidelma ein wenig verärgert.
»Da ist noch etwas, das Gormán wissen sollte«, fügte Finguine leise hinzu. »Bischof Petrán ist gestern tot aufgefunden worden. Brehon Dathal glaubt, daß Eadulf ihn vergiftet hat.«
Gormán lachte entrüstet auf. Alle sahen ihn erstaunt an.
»Die Idee ist einfach lächerlich«, erklärte er und versuchte, seine Fassung wiederzuerlangen. »Ich kenne Bruder Eadulf nicht besonders gut, aber ich kenne die Menschen. Es wäre nicht seine Art, jemanden zu vergiften, mit dem er eine theologische Auseinandersetzung hatte.«
Fidelma taxierte ihn kurz.
»Du wußtest, daß Eadulf und der Bischof sich in einer theologischen Sache uneins waren?«
»Mehrere Leute haben den Streit mitbekommen, den er mitPetrán hatte, als wir neulich abends in die Burg zurückkehrten.«
Fidelma überlegte einen Augenblick, dann fragte sie Finguine: »Ist Bruder Conchobar inzwischen wieder in Cashel?«
Finguine schüttelte den Kopf.
»Ist der genaue Grund für Bruder Eadulfs Aufbruch nach Westen bekannt?« fragte Gormán. »Wir sollten einander alles anvertrauen, was wir in dieser Sache wissen.«
»Er hat mir nichts verraten«, erwiderte Fidelma. »Ich habe ihn nicht noch einmal gesehen, bevor er losritt. Er hat mir nur die Nachricht hingelegt. Alles, was ich weiß, ist, daß er zur Abtei von Colmán will.«
Gormán rieb sich nachdenklich das Kinn. »Es ist nicht sehr klug, jenseits von Cnoc Loinge allein unterwegs zu sein.«
Colgú wurde ungeduldig. »Nun, kehren wir wieder zu unserer Angelegenheit zurück. Sind wir uns alle einig, die Stammesfürsten freizulassen?«
»Ich stimme dem nur äußerst ungern zu«, gestand Finguine. »Sollte nicht erst der Kronrat zusammentreten und über diesen Entschluß beraten? Bischof Ségdae, Brehon Dathal … Vielleicht sollten wir warten, bis Capa zurück ist?«
Colgú schüttelte den Kopf. »Wir müssen schnell handeln. Wenn es sein muß, sofort. Capa kommt vielleicht erst in ein paar Tagen zurück. Bischof Ségdae ist nach Imleach geritten. Brehon Dathal ist mit der Untersuchung von Petráns Tod beschäftigt, und ich bin mir nicht sicher, ob sein Rat …« Er hielt inne und zuckte die Achseln. »Die anderen Ratsmitglieder sollen von unserem Entschluß erfahren, wenn wir uns alle später zusammenfinden.«
Fidelma meinte: »Ich möchte mich kurz mit den Fürsten unterhalten, ehe sie freigelassen werden.«
»Du möchtest mit diesen Uí Fidgente sprechen?« Überrascht zog ihr Bruder die Augenbrauen hoch.
»Hast du etwas dagegen?«
»Nun gut, Fidelma«, antwortete er. »Dann tu das. Ich werde den
giall-chométaide
holen lassen, damit er dich begleitet. Es sei denn, ich selbst soll dich begleiten.« Der
giall-chométaide
war der Gefängniswärter der Geiseln. Fidelma sagte, daß ihr Bruder nicht dabei sein müßte, und so wandte sich Colgú an Gormán.
»Sobald Fidelma wieder zurück ist, bringst du die Fürsten zur Straße nach Norden.«
Der Krieger sah den König nachdenklich an.
»Auf die Straße nach Norden?« fragte er Colgú dann.
»Du kannst ihnen wenigstens die Richtung in ihre Heimat zeigen«, erklärte der König geduldig. »Dann erhalten wir schneller eine Antwort.«
Es dauerte eine Weile, bis der
giall-chométaide,
ein kleiner drahtiger Mann, auftauchte. Er hatte ein spitzes, listiges Gesicht und ein Lächeln, dem Fidelma nicht trauen mochte. Es schien ihn kaum zu überraschen, daß die drei Stammesfürsten freigelassen werden sollten. Er nahm den Befehl vollkommen ungerührt entgegen.
Am Ende der Burganlage befand sich ein Gebäude, das von den anderen durch eine hohe Mauer abgetrennt war. Nur mit Erlaubnis des Königs oder seines Tanist durfte man hinter die Mauer. Der alte Name dieses Gebäudes lautete Duma na nGiall – Geiselstätte. Einst verwendete man das alte Wort
duma
für ein Hügelgrab, später dann für einen angelegten
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