Der Tod soll auf euch kommen
später hatte er sein Pferd unter der Laterne eines Gasthofs zum Stehen gebracht. Auf einem Schild stand »Bruden Slige Mudán«.
Eadulf war immer wieder davon beeindruckt, was man in den fünf Königreichen unter Gastfreundschaft verstand. Allerorts gab es Herbergen mit freier Kost und Logis für jedermann. Jeder Clan besaß einen eigenen Herbergswirt, der
brugaid
genannt wurde. Dessen Pflicht war es, ein für alle Reisenden offenes Haus zu führen. Der
brugaid
erhielt ein Stück Land und andere Vergütungen, um die laufenden Kosten für die Herberge zu bestreiten. Sein Berufsstand genoß hohes Ansehen. Die meisten Betreiber öffentlicher Herbergen waren vom Rang eines
bo-aire,
eines Friedensrichters, und es stand in bestimmten juristischen Fällen in ihrer Macht, Recht zu sprechen. Sie waren auch befugt, Versammlungenzur Wahl des Fürsten ihres Stammesgebiets abzuhalten. In jedem Gebiet gab es mindestens eine solche öffentliche Herberge, die vom jeweiligen Stamm unterhalten wurde.
Doch nicht in allen Gasthöfen konnte man kostenlos essen und übernachten. In Ferlogas Wirtsstube und in der von Aona am Brunnen von Ara konnte man das nicht, wie Eadulf festgestellt hatte. Es waren private Einrichtungen, in denen die Gäste bezahlen mußten.
Eadulf hatte eine erquickliche Nacht in der Herberge an der Straße von Mudán verbracht, zumindest was sein leibliches Wohl betraf. Die Speisen und Getränke waren köstlich, und auch das Bett war sehr bequem gewesen. Der Wirt war freundlich auf alle Fragen Eadulfs zur Abtei von Colmán eingegangen. Es waren in letzter Zeit eine Reihe von Reisenden vorbeigekommen, doch an die aus dem fraglichen Zeitraum konnte er sich nicht genau erinnern. Er hatte Eadulf darauf aufmerksam gemacht, daß die Straße bald in das Land der Uí Fidgente führen würde. Der Wirt hatte wenig Respekt für seine Nachbarn bewiesen und vor Eadulf eine Reihe von derben Flüchen gegen sie ausgestoßen.
Eadulf ritt nun weiter. Es war ziemlich kalt, und es fielen sogar ein paar Schneeflocken vom grauen Himmel, doch der Schnee blieb nicht liegen. Obwohl die Tage jetzt sehr kurz waren, kam Eadulf gut voran. Auch wenn er nicht der beste Reiter war, so schien er sich, ohne dem kritischen Blick Fidelmas ausgesetzt zu sein, auf dem Pferd gut zu behaupten. Der Ritt durch die weiten Wälder der breiten Ebene, die sich von Westen her erstreckte, verlief ohne Zwischenfälle und war leicht. Es gab keine Anzeichen für feindliche Übergriffe von den Uí Fidgente. Ganz im Gegenteil, die in dieser Gegend wohnenden Leute schienen genauso höflich zu sein wie überall.Es dauerte eine Weile, ehe er die breite waldige Ebene durchquert hatte, dann machte er im Süden das Gebirge aus und die Straße, die sich am Fuß der Berge entlangzog. Als er über einen Paß zwischen zwei höheren Bergen ritt, waren die Bergspitzen vom Nebel eingehüllt. Er gelangte an einen breiten Fluß.
Eadulf mußte wieder nach Süden reiten, er hielt Ausschau nach einer Furt oder einer Brücke. Bald begegnete er einem Holzfäller. Der zeigte ihm den Weg zu einer Furt und erklärte ihm, daß das Gewässer Fials Fluß genannt wurde. Eadulf beging den Fehler, sich laut zu fragen, wer Fial gewesen sein mochte. Der Holzfäller erzählte ihm bereitwillig, daß sie die ältere Schwester von Emer, der Tochter von Forgall von Manach, gewesen war. Und als Eadulf dann auch noch sagte, daß er diese Personen ebenfalls nicht kannte, fing der Mann von dem großen Helden von Ulaidh, Cúchulainn, an zu reden, der Fial als seine Geliebte abgewiesen und sich ihrer jüngeren Schwester Emer zugewandt hatte. So wurde er ziemlich lange aufgehalten. Als er schließlich die Furt durch den Fluß gefunden hatte, war es schon dunkel.
Er setzte sich hin und dachte einen Moment nach. Er überlegte, ob er es wagen sollte, die Furt zu durchqueren. Denn auf dieser Uferseite war ihm keine Unterkunft bekannt, während auf der anderen Seite ein schwaches Licht leuchtete. Er hatte von Fidelma gelernt, daß ein Pferd ein intelligentes Wesen war und gewöhnlich von allein einen sicheren Weg durchs Gewässer fand, wenn man es laufen ließ. Mit Gefühl bewegte er das Pferd in den dunklen Fluß und gelangte unbeschadet hinüber. Dann hielt Eadulf auf das Licht zu. Ringsum wurde es immer dunkler. Er konnte gerade noch erkennen, daß er sich auf einem breiten Weg befand. Von derUmgebung war nichts mehr zu sehen. Weder Mond noch Sterne leuchteten. Dicke Wolken hingen tief am Himmel. Er wußte
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