Der Tod und die Diebin (Bündnis der Sieben) (German Edition)
Er war der einzige Meister, der Zeugen in solchen Situationen nicht zuließ.
„Ruben sagt, du wärst bei der Bruderschaft ebenso lange dabei wie Baraq ’ el selbst. Wie lange ist es bei Meister Levant?“
Daniel war der erste Meister des dritten Kreises, den Kepheqiah im Auftrag Mahawajs rekrutiert hatte. Diese Tat hatte er ebenso oft bereut, wie er sich dazu beglückwünscht hatte. „Er ist schon lange dabei und jetzt lass uns mit Gerede keine Zeit mehr verschwinden. Wenn Grigorjew kommt, müssen wir ihm einen angemessenen Empfang bereiten.“ Hoffentlich behielt Maurice die Nerven. Dann würde Kepheqiah schlichten, verlockende Angebote unterbreiten und Mahawaj aus dieser unseligen Geschichte raushalten können.
*
In ihren Armen lag ein Wunder. Dicht an sie geschmiegt, tief schlafend. Ihre Beine zitterten. Sie hatten allen Grund dazu. Daniel hatte sich ihr geschenkt, mit jedem tiefen Kuss, mit jeder Berührung seines geschmeidigen Körpers. Jeder Herzschlag hatte ihr gegolten. Er hatte ihre Seele umwoben, ihren Geist gefesselt und ihrem Körper jeglichen Atem genommen. Manchmal war es wie Sterben gewesen. Absolutes Loslassen, Dahintreiben, nur noch Gefühl sein. Es war wie Zauberei. Sanft , aber unaufhaltsam , hatte er ihr die Zügel aus der Hand genommen und sie dorthin gelenkt, wo er sie haben wollte. Mitten hinein in den Ozean seiner Liebe zu ihr.
Albern. Arrogant. Vollkommen verrückt. Wie sollte er derart innig für sie empfinden können?
Lucy legte ihm sacht die Hand auf die Brust. „Danke für die Illusion absoluter Liebe. Ich rede mir ein, dass deine Taten nicht gelogen haben.“
Jetzt war der Moment, wo sie aufstehen, stehlen und sich davonschleichen musste. „Ich liebe dich, Daniel Levant.“ Mit zärtlichen Küssen bedeckte sie sein entspanntes Gesicht. „Aber ich bin, was ich bin und du wirst mich nicht ändern können.“ Es war der denkbar schlechteste Moment zum Weinen. Sie tat es trotzdem. Konnte man sich hassen und dennoch gierig seine Hände nach Schätzen ausstrecken, die einem nicht gehörten? Sie konnte es. Vorsichtig zog sie das Amulett über seinen Kopf. Es war so schön und geheimnisvoll wie er.
In der Küche stand eine Krepprolle. Die musste reichen. Fünf Ikonen wickelte sie einzeln in das Papier. Zwei mit Rissen im Lack, eine aus der Mitte und eine, die noch brandneu sein musste. Der Nikolaus, Franz und Maria waren dabei.
„Seht mich nicht so vorwurfsvoll an. Jeder tut das, was er am besten kann.“ Die Tränen liefen immer noch. Eine wurmstichige Holztruhe stand an der Wand. Schränke gab es nicht. In der Truhe waren Laken, Bettbezüge und Handtücher.
Die Ikonen verschwanden in einem Kopfkissenbezug. Mochte der Taxifahrer denken, was er wollte. Sie war fertig. Musste nur noch verschwinden. Daniel konnte sie nach dieser Aktion nie mehr wiedersehen. Ihr Herz stach bei dem Gedanken. Komm schon, Lucy, häng die Heiligenbilder wieder an die Wand. Tut doch nicht weh, sich zurück zu ihm ins Bett zu legen und in ein paar Stunden mit ihm Croissants und ekligen Grapefruitsaft zu frühstücken. Es tat weh. Der gefüllte Kissenbezug schien sich an ihr festzuklammern und versprach auf paradoxe Weise Freiheit.
Bleib dir treu. Dann geschieht dir nichts. Mit dieser Erkenntnis hatte sie Heime und Straßen überlebt. Sie war eine Diebin. Sie konnte es sich nicht leisten, ihr Herz zu verschenken.
Daniel hatte ihr alles gegeben. Ihre Tränen zerplatz t en auf dem Boden und ihr Hals wurde eng. Wenn sie schon ersticken sollte, dann während der Liebe mit diesem Mann aber nicht vor Scham über ihre Taten.
Ein letzter Kuss flog durch die Luft zu ihm, dann öffnete sie eines der mächtigen Fenster und kletterte einhändig die Feuerleiter hinab. Sie biss die Zähne zusammen, als ihre wunden Muskeln in der kalten Winterluft streikten.
Die Leiter führte auf den Hinterhof. Alle Fenster der Umgebung waren dunkel und n iemand würde sie sehen. Der Aufzug hätte zu viel Lärm gemacht. Als sie unten angekommen war, zitterte sie wie Espenlaub. Die Kälte, die Anspannung, die Ekstasen, die sie mit Daniel erlebt hatte . Ein Traum. Er endete hier, an dem Punkt, wo sie noch Macht darüber hatte. Gib niemals die Zügel über dein Leben anderen in die Hände. Auch eine Überlebensweisheit
Das Tor zur Straße schwang quietschend im kalten Wind. Für die U-Bahn war es noch zu früh. Sie musste ein Taxi erwischen. Sie würde zu Ethan fahren, ihm die Ikonen bringen und für eine Weile untertauchen.
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